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Letzte Ausfahrt Neckartal

Letzte Ausfahrt Neckartal

Titel: Letzte Ausfahrt Neckartal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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Hauptverdächtiger des Massakers von Plakovje.«
    »Sondern?«
    »Überhaupt niemand. Der Fall gehört zu den ungeklärten Kriegsverbrechen.« Unerwartet huschte ein zufriedenes Lächeln über Edgars blutleere Lippen.
    »Und da können Sie noch lächeln?« Melchiors Stimme hatte einen vorwurfsvollen Tonfall angenommen.
    Edgar griff hinter sich auf die Sitzbank und förderte einige Seiten Papier zutage, die von einer Heftklammer zusammengehalten wurden. Sein Lächeln wurde noch eine Spur breiter, als er sie auf dem Tisch ablegte.
    »Was ist das?« Treidler suchte in Edgars Gesicht nach einer Antwort.
    »Mein Abschlussbericht von damals«, gab Edgar nicht ohne Stolz zurück. »Machen Sie was daraus.«
    Treidler überflog die einzelnen Blätter. Der Bericht bestand aus etwa zehn Seiten, überwiegend mit Text und nur wenigen Fotos. Es handelte sich um eine Schwarz-Weiß-Kopie, und entsprechend bescheiden war die Qualität der Bilder. Immerhin konnte Treidler darauf eine Gruppe von Personen vor einem Erdloch erkennen. Zwei andere Fotos zeigten Leichen. Die erstarrten, fast maskenhaften Gesichtszüge jagten Treidler einen Schauer über den Rücken. Er steckte die Seiten mit der Heftklammer aneinander, schob den Stapel zu Melchior und nickte Edgar zu.
    Melchior blätterte durch die Seiten. Aus dem Nebenraum drangen die Geräusche der Kinder, die sich um den Rest einer Cola stritten. Die junge Familie schien aufzubrechen.
    Als wäre er vom Blitz getroffen worden, zuckte Edgar zusammen. Sein zufrieden dreinschauendes Gesicht verwandelte sich in eine schmerzverzerrte Grimasse. Seine Augen drangen aus ihren Höhlen, seine Atmung beschleunigte sich. Qualvolle Sekunden vergingen, während er stoßweise und mit weit aufgerissenem Mund Luft einsog. Es schien, als ob jeder dieser Atemzüge unendliche Pein mit sich brachte. Sein gesamter Körper bebte vor Schmerz. Heftig schüttelte Edgar seine rechte Hand, als ob er sich die Finger verbrannt hätte. Treidler wollte schon danach greifen, da rutschte aus dem Ärmel ein dunkelblauer Gegenstand, an dessen Ende ein Kabel oder Schlauch hing. Es sah aus wie ein dickbäuchiger, zu kurz geratener Kugelschreiber mit einem roten Taster am anderen Ende. Edgar griff danach und hielt wie im Krampf den Knopf gedrückt. Ein leises Geräusch, ähnlich dem Surren eines kleinen Elektromotors, erklang, und er stöhnte erleichtert auf.
    Sein Atem wurde gleichmäßiger, und er setzte sich aufrecht hin. Seine Hände zitterten noch immer. » PCA – Patient Controlled Analgesia .« Seine Stimme klang erstaunlich spöttisch. »Bedeutet so viel wie patientengesteuerte Schmerzbekämpfung. Mit der Pumpe kann ich mich jederzeit in ein süßes Vergessen schießen. Das Ding ballert so lange Morphium in mich hinein, bis ich loslasse. Manchmal frage ich mich, wie oft ich den Kopf betätigen muss, bis es ganz vorbei ist.«
    »Geht’s wieder?« Melchior blickte abwechselnd in Edgars Gesicht und auf den roten Taster.
    »Natürlich.« Er deutete mit dem Kinn auf die Schmerzmittelpumpe. »Immerhin kann ich noch selbst bestimmen, wann ich wie viel Schmerzen aushalten muss.«
    »Können Sie uns was zu diesem Goran Markovic sagen?« Treidler musste mehr über den Mann wissen. Hatte er vielleicht etwas mit Lewandowskis Tod zu tun?
    Wieder griff Edgar hinter sich auf die Sitzbank. »Ich dachte mir schon, dass Sie weitere Informationen haben wollen. Das hier«, er präsentierte eine fingerdicke rote Dokumentenmappe, »ist seine Personenakte.«
    »Das ist Goran Markovics Akte?« Treidler konnte seine Überraschung nicht verbergen und rückte näher an den Tisch.
    Edgar nickte. »Ich habe die letzten Jahre versucht, Markovic ausfindig zu machen. Inzwischen kenne ich den Mann in- und auswendig. Um an seinen Aufenthaltsort zu kommen, habe ich meine Beziehungen spielen lassen und bin dabei vielen Leuten auf die Füße getreten – zu vielen. Deswegen bin ich ziemlich vorsichtig geworden. Ich treffe mich nicht gerne mit Fremden. Besonders nicht, wenn mehr auftauchen, als ich erwartet habe.« Edgar warf Treidler einen Blick zu.
    »Wissen Sie, wo Markovic sich aufhält?«
    »Nicht genau.« Edgar reichte ihm die Mappe. »Er lebt irgendwo in Mitteleuropa: Süddeutschland, Österreich oder Ex-Jugoslawien. Er benutzt verschiedene Namen und Lebensläufe. Es gibt Hinweise, dass er sich zurzeit als Auftragsmörder durchs Leben schlägt.«
    »Die Akte hier, stammt die aus dem Archiv des BKA ?«, fragte Melchior.
    »Ja. Aber die Version, die

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