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Letzte Ausfahrt Neckartal

Letzte Ausfahrt Neckartal

Titel: Letzte Ausfahrt Neckartal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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Ihr Kollege in Händen hält, können Sie nicht einfach so anfordern.«
    »Ebenfalls verschwunden?«, fragte Melchior.
    »Nicht unbedingt. Akten verschwinden zwar, aber nie ganz. Einige Personen haben beim BKA eine offizielle und eine inoffizielle Akte. Und Sie würden garantiert nicht diese hier bekommen.«
    »Warum sollte das BKA seine Akte frisieren?« Melchior faltete die Hände und legte sie auf den Tisch.
    »Markovic hat vielen Herren gedient. Allen, die bereit waren, eine Menge Geld für seine Dienste auszugeben. Dazu gehörten auch westliche Geheimdienste. Und das macht ihn für das BKA so gefährlich. Aber das steht alles in meinem Dossier über ihn. Es ist Bestandteil der Akte.«
    Treidler klappte den Deckel der Mappe auf, und sein Blick fiel auf das Schwarz-Weiß-Foto eines Mannes mittleren Alters mit kurzen Haaren. Außer den breiten Koteletten, die bis weit unter die Ohren reichten, hatte das Gesicht nichts Auffälliges. Trotz der eher undeutlichen Darstellung auf dem Phantombild handelte es sich fraglos um die gleiche Person. Mit einem derartigen Erfolg hatte Treidler nicht mehr gerechnet. Er hielt tatsächlich die BKA -Akte ihres Hauptverdächtigen mit Bild und persönlichen Daten in Händen.
    »Wenn Sie die Spur weiterverfolgen, lassen Sie sich auf ein gefährliches Spiel ein.« Edgars Tonfall wurde ernst. »Nehmen Sie sich in Acht.«
    »Vor was?«, fragte Melchior.
    »Vor Ihren eigenen Leuten.«
    »Wie meinen Sie das?« Melchior straffte den Rücken.
    »Mich würde es nicht … wundern.« Edgar fiel das Sprechen wieder schwerer. »Wenn man Ihnen jemanden … jemanden vor die Nase setzt, um die Ermittlungen in die gewünschte Richtung zu lenken.«
    »Wer soll denn man sein?«
    »Einige Leute vom BKA .«
    »Und warum sollten die das tun?«
    »Das BKA ist keine homogene Behörde …« Er atmete ein paar Mal kurz und flach. »Viele Abteilungen arbeiten völlig autark und … und es gibt sogar welche … die direkt dem BND unterstellt …« Eine stakkatoartige Hustenattacke setzte seinen Worten ein Ende.
    Bundesnachrichtendienst? Treidler konnte sich nicht vorstellen, dass der Geheimdienst in die Sache verwickelt war.
    Das junge Paar zwei Tische weiter rief den Kellner zu sich und schien sich darüber zu unterhalten, wer bezahlen soll. Schließlich einigten sie sich auf separate Rechnungen.
    Edgar hatte sich wieder gefangen. »Ich muss jetzt gehen.« Er hievte sich ächzend von der Bank hoch. »Viel Glück …«
    »Warten Sie.« Melchior legte ihre Hand auf die seine. »Warum machen Sie das?«
    Edgars Augen begannen zu glänzen, und sein Blick schweifte in die Ferne. »Jeder hat seine eigene Vorstellung … was alles geregelt sein muss, wenn man für immer abtritt … Und ein gutes Gewissen zu haben, das ist meine …« Damit drehte er sich um und schlurfte in Richtung des Durchgangs zum nächsten Raum. Sekunden später war er verschwunden.

21
     
    Die Autos fuhren viel zu langsam, die Passanten auf dem Gehweg vor der Villa schauten oder deuteten alle in eine Richtung, aufgeregtes Stimmengewirr drang an Treidlers Ohr. Ein Junge zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger. Auf der anderen Seite der Kreuzung hatte sich ein gutes Dutzend Menschen im Kreis versammelt. Zwischen ihren Beinen erkannte Treidler auf dem Boden eine ausgestreckte Hand. Aus dem Ärmel ragte ein daumendicker Stift: der Schalter für Edgars Schmerzmittelpumpe. Treidler meinte, das Herz würde ihm stehen bleiben.
    Er rannte über die Straße auf die Schaulustigen zu. Zwei Bauarbeiter mit gelben Helmen und Warnwesten blickten mitleidig drein, einige Frauen hielten sich vor Schreck die Hand vor den Mund. Ein anderer Mann im Anzug drängte sich nach vorne und hielt ein Handy hoch.
    Treidler bahnte sich einen Weg durch die Menschen, drängte den Anzugträger mit dem Handy beiseite. Nur widerwillig machten die Bauarbeiter Platz. Er ließ sich neben Edgar auf die Knie fallen. Die blaurote Wollmütze hing am Hinterkopf und entblößte den kahlen Schädel. Seine Augenlider waren halb geöffnet, und ein seltsam gelassener Zug lag um seinen Mund. Aus zwei Wunden an Bauch und Brust drang Blut. Sie lagen dicht beieinander und stammten zweifellos von einer Pistole oder einem Gewehr.
    Im ersten Moment dachte Treidler, dass der ehemalige Ermittler nicht mehr lebte. Dann jedoch bemerkte er die Schlagader an seinem Hals: Sie pulsierte kaum merklich.
    »Edgar«, rief er und berührte ihn vorsichtig an seiner Schulter. »Hören Sie mich?«
    Wie in Zeitlupe

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