Letzte Ausfahrt Ostfriesland
zugeschoben hatte.
Ich ging zum Telefon und wählte die Nummer. Holländisch kann man, wenn man Ostfriese ist und Plattdeutsch spricht, gut verstehen.
Ich erfuhr von einer Dame, dass Mijnheer ten Woolf zurzeit nicht zu sprechen sei, er aber heute noch zurückrufen werde. Dankbar nannte ich ihr die Rufnummer, die auf Werners Apparat stand.
Mein zweiter Versuch galt Paul Hammes. Das gelang mir auf Anhieb. Das Polizeipräsidium meldete sich und gab die Verbindung direkt frei.
Ich erkannte ihn am rheinischen Tonfall. Er freute sich über meinen Anruf, denn schließlich hatte uns nicht nur Dienstliches verbunden.
»Paul, wie sieht es aus?«, fragte ich ihn.
»Die Sache beginnt Spaß zu machen, Klaus! Wir stehen kurz vor einem großen Schlag. Ich kann dir keine Einzelheiten nennen, aber einen guten Rat erteilen. Halt dich in den nächsten Tagen in Berlin versteckt. Du verstehst mich?«
Ich antwortete mit »Ja«, denn ich hatte ihn verstanden.
Hammes fuhr fort: »Übrigens, ten Woolf aus Amsterdam sucht dich.«
Ich bedankte mich bei ihm und unterbrach die Verbindung.
Mich überfiel eine Beklemmung. War ich doch noch nicht aus der Gefahrenzone? Mir fehlte der Durchblick.
Ich nahm an, dass die Polizei entweder weitere Bosse des Rauschgiftsyndikates hochnehmen lassen wollte oder gegen die Terroristengruppe Meerestiere erfolgreich vorzugehen beabsichtigte.
Ich setzte mich auf den Balkon und konzentrierte mich auf das Telefon.
Die Warnung aus Düsseldorf konnte ich nicht in den Wind schlagen. Hier war ich sicher, denn niemand konnte wissen, dass ich mich in die Wohnung eines Professors der Berliner Universität einquartiert hatte.
Um siebzehn Uhr hatte Jan ten Woolf noch immer nicht angerufen. Ich bereitete mir einen Tee zu.
Mein Biervorrat ging zur Neige und, wenn ich mich hier von der Außenwelt abschirmen sollte, brauchte ich einige Lebensmittel.
Im Telefonbuch fand ich unter S einen Service, dem ich meine Proviantliste diktierte.
Um achtzehn Uhr wartete ich noch immer auf ein Zeichen meines Freundes ten Woolf.
Die Lebensmittelbestellung kam prompt an. Ich bezahlte an der Haustür, um den Anruf nicht zu verpassen.
Erst um neunzehn Uhr nahm ich voller Spannung den Hörer ab.
Endlich! Die vertraute Stimme des Freundes drang mir entgegen.
»Hallo, Kapitän, wir sitzen zwar noch gemeinsam in einem Boot, allerdings nur sinngemäß.« Ich vernahm sein Kichern und sah ihn in meiner Vorstellung.
»Jan, ich verstehe die Welt nicht mehr«, sagte ich. »Mein Schulleiter wird mich von der Gehaltsliste gestrichen haben, und es wird Zeit, ihm als Sindbad der Seefahrer auf den Leib zu rücken.«
»Na und?«, fragte er belustigt. »Interpol kann solche wie dich gut gebrauchen.«
»Jan, bitte keine Witze«, antwortete ich empört, »komm zur Sache!«
»Klaus, auf meinen verdienten Urlaub muss ich noch warten. Ich komme nach Berlin. Zwei Gründe zwingen mich dazu. Der eine ist dienstlich. Die Sonderkommission erwartet mich. Der andere ist privat. Ich möchte Inga wiedersehen.«
»Wann kommst du?«, fragte ich.
»Gib mir deine Adresse. Ich fliege in einer Stunde«, antwortete er.
Ich schaute auf die Uhr, gab ihm meine Anschrift und wusste, dass es zwecklos war, ihn jetzt zu weiteren Stellungnahmen aufzufordern.
Neue Hoffnung stieg in mir hoch. Er konnte vielleicht auch für Kaya Schritte unternehmen, die andere nicht wagten.
Über Berlin zog der Abend auf, und obwohl noch Kalendersommer, hatte sich die Luft stark abgekühlt. Ich verschloss die Balkontür, zog die Vorhänge zu und holte mir aus dem Kühlschrank eine Flasche Bier.
Wie lange mussten Inga und Kaya noch die Zellen des Untersuchungsgefängnisses bewohnen? Was würde ten Woolf sagen, wenn er das Fotomaterial meiner Tochter zu Gesicht bekam?
In meine Überlegungen klingelte das Telefon. Das schrille Geräusch traf mich wie ein Messer. Sollte ich abnehmen?
Ich riss mich zusammen.
Wer es auch sein konnte, der Anrufer hatte Geduld. Ich ließ mich nicht erweichen. Erst nach einer Weile wählte ich die Nummer des Anwalts.
Weidenreich versprach mir, sofort zu kommen, um mit Jan ten Woolf zu reden.
Ich rauchte eine Zigarette, trank mein Bier und war froh darüber, dass ich in wenigen Minuten nicht mehr allein in Werners Wohnung ausharren musste.
Das vereinbarte Klingelzeichen kündigte den Rechtsanwalt an.
Weidenreich wirkte munter und ausgeruht, wie ein Kumpel schritt er an den Kühlschrank und entnahm ihm eine Flasche Bier.
»Prost, Herr Doktor
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