Letzte Ausfahrt Ostfriesland
letzten Fotos mit geschlossenen Augen entwickelt.«
Aber Weidenreich besaß gute Nerven. Kein Bild ließ er aus, während wir uns mit Kaffee zu stärken versuchten.
Ich hörte, wie er aufatmete.
»Herr Doktor Udendorf, schon allein die Regie beweist, dass Ihre Tochter eindeutig auf der Seite der Opfer steht.«
Das war nicht viel, aber mir tat der Satz gut.
»Sie hat selbst nie Rauschgift genommen«, sagte ich.
»Gerade diese Tatsache macht Ihre Tochter so sehr gefährlich!«, sagte er. »Wir besitzen, dank ihrer unbeteiligten Teilnahme an diesen Ausschweifungen, Beweise gegen eine Schar Prominente, die, falls wir ihnen die Negative anbieten würden, uns zu Millionären machten. Nur die Serie des Elends kann uns dazu verhelfen, den Richtern klarzumachen, dass Ihre Tochter nicht die Bilder geschossen hat, um sich daran zu bereichern.«
O Gott, an was Juristen nicht alles dachten!
Wir packten die Fotos in einen großen Karton. Die Negative verstaute der Anwalt wieder in seiner Ledertasche, deren Riemchen er um sein Handgelenk band.
»Die Rechnung wird prompt bezahlt«, sagte Josef Weidenreich, als uns der Geschäftsinhaber seine Tür noch einmal aufschloss und uns müde ziehen ließ.
Auch wir sprachen nicht, blickten uns ständig ängstlich um und erreichten den Mercedes. Wir verstauten die Bilder im Kofferraum des Wagens, während Weidenreich die Ledertasche ins Handschuhfach einschloss. Wir fuhren zu seinem Büro und deponierten Bilder und Negative in seinem Tresor.
Uns war niemand gefolgt. Er brachte mich zu Werners Apartment und bat mich, ihn morgen gegen Mittag aufzusuchen.
Mein üblicher Griff zum Bier, mein Versuch, meine Belastung wie eine Arbeit abzulegen, um mich einem Feierabend hingeben zu können, führte mich in die Stimmung, die ich benötigte, meinen Gedanken freien Lauf zu lassen.
Doch an diesem Abend musste ich über Hans-Dietrich Dotter nachdenken, der gewusst hatte, auf was er sich einließ, als er die Filmrollen zu Weidenreich gebracht hatte.
Die Sehnsucht nach einer idealen Welt, der Wunsch, das Böse anzuprangern, hatten Dotter in Konflikte gestürzt.
Im Gegensatz zu ihm hatte Inga Glück gehabt. Ich war im richtigen Moment aufgekreuzt. Und ich dachte wieder an das, was mir kein Außenstehender je abnehmen wird, nämlich an die Tatsache, dass es für meine Tochter keine Rettung gegeben hätte, wenn meine verstorbene Frau mir nicht aus einer auch mir unverständlichen Welt Hinweise gegeben hätte!
Ich trank das gekühlte Bier meines Freundes und wusste, dass es doch noch einige Zeit dauern konnte, bevor ich mich zurück nach Norddeich begeben durfte.
Ich saß Weidenreich gegenüber. Er hatte mich zum Essen überredet. Das Restaurant blitzte vor Sauberkeit und an den Wänden hingen alte Gemälde, die Romantiker mit bunten Farben gestaltet hatten und Berlin im preußischen Glanz zeigten.
Die dicken Deckenbalken knüpften dort an, wo die Bilder endeten.
Ober in schwarzen Jacken versorgten viel Prominenz. Selbst mir kamen einige Gesichter bekannt vor.
»Ich werde Doktor Busker, dem Staatsanwalt, einen Besuch abstatten«, sagte Josef Weidenreich. »Er soll wissen, dass ich Ihre Tochter vertrete. Dabei werde ich auf das Beweismaterial hinweisen, das wir bei einem Prozess ausreizen werden.«
Wir aßen Schweinebraten, der zart und hervorragend gewürzt war. Die Kartoffeln waren mehlig, wie ich es erhofft hatte.
»Soll ich mich zurückhalten?«, fragte ich zwischen zwei Bissen.
»Bei dem Staatsanwalt würde ich Ihnen das empfehlen«, sagte Weidenreich und fuhr fort: »Es könnte der Situation nicht schaden, wenn Sie Ihre Freunde ten Woolf und Paul Hammes einschalten würden. Es ist wichtig für uns, dass wir wissen, ob uns von den Meerestieren Gefahr droht.«
Er hatte recht. Es war vor allem Kaya, die es schwer hatte, denn ich kannte nicht den Stand der Recherchen der Kripo und wusste nicht, ob ihr Bruder in den Anschlag auf den Minister Öchigyl verstrickt war oder der Rauschgiftszene von Duisburg angehörte.
Nach dem Essen ließ ich mich von dem Anwalt nach Hause fahren, soweit ich Werners Apartment so bezeichnen konnte. Am nächsten Morgen sollte ich mich bei ihm telefonisch melden.
Für eine Weile setzte ich mich auf den Balkon. Die Sonne kam nur gelegentlich durch, doch mir ging es auch nicht um Sonnenbräune. Ich dachte nach.
Weidenreich hatte recht. Ich betrat das Wohnzimmer und kramte aus meiner Brieftasche den kleinen Zettel hervor, den ten Woolf mir beim Abschied
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