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Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Titel: Letzte Ausfahrt Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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Der Zeigerstand der Uhr bestätigte, dass die Verkäuferinnen bereits Feierabend hatten.
    Doch es dauerte noch eine Weile, bevor der Geschäftsinhaber mit bleichem Gesicht, wie mir schien, das Büro betrat. Seine Schultern waren gesenkt. Sorgen schienen ihn zu bedrücken.
    Seine Hände hielten eine kleine rote Plastikwanne, die er so vorsichtig an seinen Bauch presste, als befände sich in ihr ein badendes Baby. Behutsam stellte er die Wanne auf den Schreibtisch.
    Durch die Blindscheiben der Wand fiel nur noch wenig Licht. Ich sah, dass seine Hände zitterten, als er sie dem Druckknopf der Tischlampe näherte, um sie einzuschalten.
    »Josef, ich möchte, dass niemand erfährt, dass ich es war, der die Filme entwickelt hat«, sagte er müde. »Schau sie dir an und urteile selbst. Ich brühe uns einen Kaffee in der Kantine der Verkäuferinnen auf.« Er legte Handtücher um die Wanne und schloss das Büro auf, um uns zu verlassen.
    »Soll ich?«, fragte Josef Weinreich. In seinem Gesicht hatten sich rote Flecken gebildet.
    Ich nickte und spürte schlagartig wieder mein Sodbrennen.
    In der Wanne lagen die Fotos in zwei Stapeln. Sie waren noch nass. Weinreich griff in die Wanne, entnahm ein Bild und starrte das Foto an.
    »Das kann doch nicht wahr sein!«, stöhnte er und reichte mir die Aufnahme. Ich studierte sie.
    Ein Mann, er war etwa sechzig Jahre alt, hielt ein kleines geöffnetes Papiertütchen in der Hand, in dem ich ein feines weißes Pulver erkannte, während seine Begleiterin mit entrückten Blicken eine selbst gedrehte Zigarette rauchte.
    Beide waren sie nackt. Ein barbusiger Engel, nur mit dem mir bekannten Warndreieck und einem Bauchladen bedeckt, stand neben ihm.
    Ich begriff, dass die Zigarette präpariert sein musste und genauso wie das Papiertütchen Rauschgift enthielt. Allerdings waren mir die abgelichteten Personen nicht bekannt.
    »Das ist Miltes mit seiner jungen Gemahlin. Sie ist ein Mannequin und er ein Sponsor für Kunst und Wissenschaft!«, sagte Weidenreich entsetzt und schaute mir über die Schulter, um sich erneut zu vergewissern.
    Ich blickte ihn an und hob die Schultern.
    »Ein hochkarätiger Mann. Ehrendoktor der Universität! Er besitzt noch eine Hotelkette und vertritt große Brauereien.«
    »Geschmack hat er«, sagte ich nur, denn seine Begleiterin konnte einen schon umhauen.
    Wie einer, der Urlaubsfotos seiner Bekannten betrachtet, nahm ich die Bilder, von denen noch Wasser tropfte, aus der Wanne. Die Kommentare meines Anwalts, der sich im Berliner Jetset auskannte, stellten mir auf diese Art Künstler mit Weltrang, Politiker, Schauspieler und selbst Männer der Kirche vor, von denen ich einige nur flüchtig vom Fernsehen her kannte, die, so bewiesen es die Aufnahmen meiner Tochter, nicht nur Rauschgift konsumierten, sondern ich stierte fassungslos auf sich verkeilende Leiber, Hände und Münder, die andere bedienten, während ihre Geschlechtsteile im Wirrwarr wilder Orgien verstrickt waren.
    »Sodom und Gomorrha!«, stöhnte ich laut, während Weidenreich wie ein Reporter die Akteure mit Namen benannte, die mir nichts sagten.
    Mir war es unverständlich, wie meine Tochter dabei kühl und berechnend den Blick durch den Sucher ihres Fotoapparats gefunden hatte, um das verwerfliche Geschehen auf Zelluloid zu bannen.
    Doch dann kamen wir zum anderen Stapel, als der Geschäftsinhaber uns den Kaffee servierte. Wir rauchten Zigaretten, tranken Kaffee und warteten voller Spannung auf die Fortsetzung.
    »Josef, nimm dir Zeit«, sagte der Fotograf.
    Wir folgten seinem Wink, fünf Minuten das absacken zu lassen, was uns innerlich aufgewühlt hatte. Doch dann hielt Weidenreich es nicht mehr aus. Er schob seine Tasse beiseite und langte in den Stapel.
    Junge Mädchen lagen nackt auf dem Fußboden. Im Rausch verkrampften sich ihre Hände vor dem Unterleib, den sie mit gespreizten Beinen und festen Waden anhoben.
    Auf einem anderen Bild setzte sich ein hübscher junger Mann die Spritze an die Ader des abgebundenen Armes, während ein verdrehter Mädchenkörper ihm zu Füßen lag, und, wie es schien, ihren geöffneten Mund mit abwesenden Augen seinem Penis entgegenhielt.
    Weitere Bilder zeigten verkommene Höhlen, die einst Wohnungen waren. Junge Menschen auf zerflatterten Matratzen liegend, zu Skeletten abgemagert, waren von Unrat umgeben.
    Mir wurde übel, und ich verzichtete auf die Durchsicht der weiteren Fotos.
    »Mir ging es ebenso«, sagte der Geschäftsinhaber mitfühlend, »ich habe die

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