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Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Titel: Letzte Ausfahrt Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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denen gehöre ich nicht‹, antwortete ich unfreundlich, ›aber sag mir, wozu du das Geld benötigst.‹
    ›Sieh mich doch an! Wenn ich nicht bald einen Schuss bekomme, mache ich schlapp. Das halte ich nicht durch!‹, stöhnte sie.
    ›Den letzten?‹, fragte ich ironisch.
    Ihre Augen wurden traurig.
    ›Ja!‹, versprach sie mir.
    In diesem Moment dachte ich an meinen zukünftigen Beruf. Diese Karin könnte mir zu einer Story verhelfen, mit der ich bei den Illustrierten vielleicht einsteigen könnte. Dabei ging es mir nicht um Geld, sondern um das Elend.
    ›Gut‹, antwortete ich entschlossen, ›bleib hier sitzen. Sag mir, wo ich das Zeug bekomme. Ich hole es für dich.‹
    Sie strahlte mich glücklich an.
    ›Drüben in der Disco in der Ferdinandstraße findest du die Typen. Frag nach Charly. Er sieht märchenhaft aus. Frag ihn nach Oldtimern. Er wird mit Bentley antworten, dann schlag ihm mit der Hand auf die Schulter, und er wird wissen, dass du keine von den Bullen bist.‹
    Ich gab mir einen Ruck und verließ das Café. Eilig, als benötige ich selbst Gift, stürmte ich auf die Disco zu.
    Diesen Charly stellte ich mir in Gedanken als einen dieser Dandys vor, die großtuerisch mit beginnender Dunkelheit den Kurfürstendamm betreten.
    Noch war keine Discozeit, und die vielen jungen Menschen aus westdeutschen Großstädten, ja zumeist aus der Provinz, die mit Bussen das ganze Jahr über angekarrt wurden, waren noch nicht unterwegs. Doch welche Gefahren warteten auf sie, wenn es hier um die Ecke Rauschgift wie Zigaretten zu kaufen gab?
    Tot waren die Lampen, die in wenigen Stunden mit farbigen Effekten helfen würden, Stimmung zu erzeugen.
    Meine Schritte klangen mir in den Ohren, als ich quer über die verwaiste Tanzfläche schritt und mich einem Tresen näherte, vor dem junge Frauen und Männer in ausgelassener Stimmung Drinks zu sich nahmen. Der Barkeeper, aalglatt, vielleicht homosexuell, neigte sich mir entgegen.
    ›Ich will zu Charly‹, sagte ich und sah angewidert auf seinen geschminkten Mund. Ich kletterte auf den ungewohnten Barhocker. Kleidung und Typ stempelten mich zur Exotin. Schon bei der Bestellung hatte ein Mann seine Augen auf mich gerichtet. Ich begegnete seinem Blick und sah, dass er hervorragend aussah. Er verließ seinen Platz und setzte sich ungeniert neben mich.
    Er griff in mein Haar und sagte mit rauer Stimme, die mir bis in den Unterleib ging: ›Miss Nordsee, der geht auf meine Rechnung!‹
    ›Ja‹, antwortete ich und fuhr fort: ›Sie liegen nicht falsch, ich komme von dort.‹
    Der Barkeeper stellte das Glas auf den Tresen. Seine beringte fleischige Hand verdarb mir den Durst, während der Typ mir mit einer unverschämten Sicherheit ins Ohr flüsterte: ›Ab heute kennen wir uns! Wir bekommen noch viel Spaß miteinander!‹
    Anstatt aufzuspringen und davonzulaufen, musste ich lachen, denn die fast kindischen Annäherungsversuche der Studenten, mit denen ich meist verkehrte, standen zu seiner Art der Kontaktaufnahme im krassen Gegensatz. Ich prostete ihm zu, und seine Augen schienen mich zu entkleiden, und auch ich verspürte den Wunsch, dieses Bild eines Mannes nackt vor mir zu sehen.
    Mir fiel die abgewrackte Karin ein, die im Café auf mich wartete. Dabei legte er seine braun gebrannte Hand auf die meine, und ein Elektroschock floss durch meinen Körper.
    ›Oldtimer‹, sagte ich und lachte ihn an.
    Seine Augen wurden groß und die steile Falte um seine klassische Nase vertiefte sich.
    ›Du‹, fragte er überrascht. Ich antwortete nicht. Erst als er Bentley sagte, schlug ich ihm auf die Schulter und sagte: ›Charly.‹
    Seine Augen studierten mich. Nicht für mich, sagte ich zu meiner Entschuldigung.
    ›Komm mit‹, sagte er, und ich folgte ihm in den Gang, der zu den Toiletten führte. Ich öffnete meine Handtasche und zog einen Fünfzig-Euro-Schein hervor.
    ›Hier‹, er drückte mir ein winziges Päckchen in die Hand. ›Für dich ist es billiger‹, sagte er und gab mir einen Zwanzig-Euro-Schein zurück.
    Ich schaute noch einmal in seine verführerischen Augen und verließ die Disco mit eckigen Schritten, denn ich spürte seine bohrenden Blicke auf meinem Rücken. Von diesem Charly, so nahm ich mir vor, wollte ich mehr wissen.
    Karin saß am Tisch, nervös, zappelig und mit bangen Blicken.
    Ich nickte, rief den Ober, bezahlte den Kaffee und trat mit ihr auf den Kurfürstendamm, den Touristen in Leder- und Pelzmänteln bevölkerten, als sei die Prachtstraße für

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