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Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Titel: Letzte Ausfahrt Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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zum Tode verurteilt!
    Ich setzte mich zu meiner Tochter, trocknete ihr die Tränen.
    »Inga, noch sind wir sicher. Noch hege ich Hoffnung, dass deine erste Reportage ein Erfolg in deinem Sinne wird. Allerdings befinden wir uns im Kriegszustand mit einer starken kriminellen Macht.«
    Wir ließen Kaya zu Wort kommen. Ihr Schicksal, in die Abhängigkeit zu geraten, hatte damit begonnen, dass ihr Bruder die Gewalt über die Schwester ausübte, nachdem ihr Vater sich mit den Ersparnissen seiner Arbeit in Deutschland auf Zypern eine Buchhandlung gekauft hatte. Ihr Bruder hatte Spielschulden und zwang Kaya, mit seinen Freunden zu schlafen, um das Geld einzutreiben. Sie sollte später ihrem Vater nach Zypern folgen, doch vorerst in Duisburg mit ihrem Bruder, der einen Job in der Industrie hatte, die kleine Wohnung teilen. Zu Hause zwang er sie zur Prostitution, doch es kam noch schlimmer.
    Ihr Bruder begann, das von kriminellen Landsleuten aus Urlaubsreisen eingeschmuggelte Rauschgift an Dealer zu verteilen und nutzte dazu seine Schwester als Botin aus.
    Aber Kaya sah noch einen viel ernsteren Hintergrund, als sie berichtete: »Ich kenne mich in der Politik nicht aus. Ich habe vor dem Abitur das Fach Sozialkunde abgewählt. Aber in meiner Heimat gibt es viele Probleme. So wollen die Kurden einen eigenen Staat, aber sie bilden einen Teil vom Ganzen. Außerdem gibt es bei uns viel mehr Grundideologien als in Deutschland. Wir haben erst begonnen mit dem Aufbau einer Demokratie, die nicht den Vorstellungen vieler entspricht.
    So sind einige Parteien unerwünscht und versuchen mit Gewalt verbissen ihre Ziele aus dem Untergrund zu verwirklichen. Sie erpressen viele Landsleute in Deutschland und vielleicht auch meinen Bruder. Eine solche Gruppe, denen Intellektuelle und auch kleinere Kaufleute angehören, will einen Umsturz. Die Mitglieder nennen sich auf deutsch Meerestiere, da diese Symbole andeuten, dass sie wie in der Urgeschichte die Türkei neu gestalten wollen.«
    Kaya sah niedlich aus. Ihre vollen, roten Lippen und ihr asiatisches Aussehen entrückten mich in eine andere Welt.
    Ich fand einen Einstieg in ihre Sorgen. Langsam gelang es mir, Puzzlestein für Puzzlestein anzusetzen, denn die Organisation hatte mir Kaya nicht geschickt, damit ich mit meinen fünfzig Jahren noch einmal den Zauber der Liebe erleben durfte.
    Sie war mit Inga an Bord geschickt worden, weil ein teuflisches Doppelspiel bis nach Zypern reichte.
    Doch noch mehr hatten mir ihre Bemerkungen zu denken gegeben, die sie über die Gruppe der Meerestiere gemacht hatte. Ich sah die tätowierten Männer vor mir! Entsetzt begriff ich, dass neben dem internationalen Rauschgiftkonzern auch noch gefährliche politische Strömungen auf unsere beängstigende Situation Einfluss auszuüben schienen.
    Ob Kaya mich wirklich liebte oder eine unbewusste innere Angst bei mir die Vaterrolle suchte, das störte mich nicht. Sie hatte feinfühlig mein Selbstvertrauen gestärkt.
    Meine Liebe zu ihr war auch nicht die Liebe der jungen Jahre, die ich unwiederbringlich mit Anke geteilt hatte.
    »Erzähl uns mehr über deinen Vater, Kaya«, bat ich sie.
    Sie lächelte mich wehmütig an.
    »Vater ist so groß wie du. Mutter war schon verstorben, als wir nach Deutschland kamen. Er ist immer gegen die Meerestiere gewesen. Er hatte studiert, aber nicht Technik oder Mathematik, die Gebiete, die in der Türkei am meisten gebraucht werden, sondern deutsche Literatur. Er fand keine Arbeit und ist nach Deutschland gegangen. Dort hat er hart gearbeitet und für uns gesorgt. Nun waren wir erwachsen, und auch hier wurde die Arbeit knapp. Er konnte sich auf Zypern selbstständig machen. Er kaufte dort eine Buchhandlung.«
    Das war das Verbindungsstückchen, fuhr es mir durch den Kopf, und dieser Gedanke war so abenteuerlich, dass ich ihn nicht zu Ende verfolgen wollte.
    Allerdings fehlte ihm nicht die Logik, und somit ging ich davon aus, dass hier in der Kabine auf der Sea Ghost jetzt Kayas Vater hätte sitzen können.
    Ja, wenn wir nicht dem Funker Liebenau das Handwerk gelegt hätten, wäre er vielleicht der Kapitän! Fuhr Kayas Vater, dem es an Sprachkenntnissen nicht fehlte, jetzt als Doktor Udendorf mit meinem Pass durch die Bundesrepublik oder musste er vielleicht erpresserische Aufträge in Amsterdam ausüben, weil die Organisation seine Tochter als Druckmittel in ihren Händen hatte?
    Spekulation oder Fantasie, vor uns lag noch ein weiter Weg. Führte er in die Freiheit oder in den

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