Letzte Ausfahrt Oxford
außerdem kann ich es nicht leiden, wenn zu viel Wirbel um mich gemacht wird. Ich bin nicht zerbrechlich und brauche keinerlei besonderen Schutz, denn ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen.«
»Schon kapiert. Ich habe Sie verärgert, weil ich Ihnen nachgewiesen habe, dass dieser Vivian Moffatt vermutlich nichts auf dem Kerbholz hat, und jetzt sagen Sie mir, ich soll abhauen.«
Paul Taylor sprach einer Frau gegenüber sonst nie so. Was war mit ihm los? »Sie haben völlig Recht. Sie sind ein begriffsstutziges, fantasieloses Arbeitstier und bekommen nicht einmal die offensichtlichsten Dinge mit. Verschwinden Sie endlich.«
»Tut mir wirklich Leid, wenn ich Sie verstimmt habe, aber Sie benehmen sich wirklich wie ein Amateur der schlimmsten Sorte. Und wenn Sie mich nicht ertragen können, gehe ich natürlich.«
Als Paul seinen sauber glänzenden Wagen so mühelos ausparkte, wie er angekommen war, strahlte ihn Klein-Krötengesicht aus dem Nachbarfenster fröhlich an und winkte ihm nach. Aber dieses Kind hatte auch keinen Geschmack, was Männer betraf.
An diesem Morgen wählte Kate die damenhaftere Variante ihres dunkelblauen Kostüms und entschied sich für das Auto. Sehr viel weniger geschickt als Paul Taylor lenkte sie den Wagen in die Agatha Street, bog in die Fridesley Road ab und fuhr ein gutes Stück schneller als die erlaubten dreißig Meilen pro Stunde in Richtung Nord Oxford. Wenige Minuten später erreichte sie den Parkplatz von Kennedy House. Ihr war jetzt egal, ob man sie mochte oder nicht – sie wollte nur noch herausfinden, was jeder Einzelne oder alle zusammen über den Tod von Jenna Coates wussten.
Ein rotes Auto hupte und blinkte sie aus einer Ecke des Parkplatzes an. Kein Mensch beachtete es. Wahrscheinlich war Graham Kieler im Haus, dachte Kate. Er sollte sich endlich um seine Alarmanlage kümmern, denn schließlich gibt er sich als Technikfreak.
Die Sonne schien. Endlich wieder einmal. Nicht aus einem so wolkenlosen Himmel wie in Kalifornien, aber immerhin warm genug, um die jungen Blätter zum Leben zu erwecken. Windschutzscheiben und Dächer der Autos warfen einen hellen Widerschein zurück.
Als Kate an einem kleinen schwarzen Ford Fiesta vorüberkam, sah sie einen Aktenordner auf dem Beifahrersitz, auf dem in großen schwarzen Lettern Einkommensteuer stand. Kate blieb stehen und sah genauer hin. Richtig, ein rosa Ordner und die etwas übertriebene Handschrift. Emma war bestimmt der einzige Mensch auf der Welt, der seine Einkommensteuerbelege in einem rosa Ordner aufbewahrte.
Aber wessen Auto war das? Kate kannte den Wagen nicht, und es gab keinen Anhaltspunkt, wem er gehören könnte. Dennoch wusste sie, es musste Vivian Moffatt sein.
Du kommst doch hoffentlich nicht raus, während ich hier bin, nicht wahr, Viv? Du kennst mich, obwohl ich nicht weiß, wer du bist. Wahrscheinlich siehst du gerade aus einem dieser kupferfarben verspiegelten Fenster und beobachtest mich.
Ihr lief es kalt den Rücken hinunter. Ärgerlich schüttelte sie den Kopf.
Okay, Viv Moffatt. Kleiner Vivvy-Boy, keine Sorge, ich gebe nicht auf.
Sie wünschte, sie hätte einen Handbohrer samt Zubehör bei sich. In Zukunft würde sie dafür sorgen, immer das entsprechende Werkzeug im Kofferraum zu haben. Dabei fiel ihr plötzlich der wortkarge Darren ein. Bestimmt gab es auch in dieser Straße einen Abfallcontainer. Sie fand tatsächlich einen und wählte einen Backstein ähnlich dem, den Darren ausgesucht hatte. Zurück zu dem schwarzen Ford Fiesta. Kate blickte sich um. Niemand war zu sehen. Sie hob die Hand und schmetterte den Stein in das Seitenfenster des Fiesta. Es funktionierte.
Jetzt hupten zwei Autos fast einstimmig auf dem Parkplatz vor sich hin. Kate griff durch das zerschmetterte Fenster, schnappte sich den Ordner und ging eilig zurück zu ihrem eigenen Wagen. Auf keinen Fall wollte sie mit dem Ordner von Vivian Moffatt gesehen werden. Oder von demjenigen, der ihn gestohlen hatte. Sie verstaute ihn für fremde Blicke unsichtbar im Kofferraum, betrat das Gebäude und sah sich kopfschüttelnd nach den beiden Autos mit der defekten Alarmanlage um.
»Wem gehört denn der schwarze Fiesta da draußen?«, fragte sie am Empfang.
»Keinem von unseren Leuten«, erklärte der Portier. »Wahrscheinlich ist es das Auto eines Besuchers.« Er konsultierte eine Liste. »Haben Sie das Kennzeichen im Kopf?« Sie sagte es ihm. »Hier steht es nicht drauf. Aber ich kümmere mich darum.«
Das Telefon klingelte.
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