Letzte Ausfahrt Oxford
Der Mann drehte sich um und nahm ab.
»Ich bin gleich wieder da!«, rief Kate ihm zu und zog los, Martin Preston in die Zange zu nehmen.
Marty war Ausländer und gehörte nicht zur Belegschaft. Möglicherweise war er ihr nicht ganz so böse wie die anderen, dass sie Victor Southam verpfiffen hatte. Sie fand ihn an seinem Schreibtisch, umgeben von langweilig aussehenden Kongressakten.
»Hei, Marty«, strahlte sie ihn an.
»Hallo Kate«, antwortete er. Kate glaubte, eine gewisse Zurückhaltung zu spüren.
»Macht es Ihnen etwas aus, mir ein paar Fragen zu beantworten?«
»Kommt ganz drauf an, um was es geht.« Sie hatte Recht gehabt: Er war längst nicht mehr so zuvorkommend wie beim letzten Mal. Selbst sein Lächeln zeigte erheblich weniger strahlendes Zahnweiß. Aber immerhin hatte Kate es geschafft, seinen Blick von den offiziellen Papieren loszureißen. Jetzt fixierte er einen Punkt irgendwo hinter ihrem linken Ohr.
»Wo haben Sie gearbeitet, ehe Sie hier in Kennedy House anfingen?«
Er entspannte sich ein wenig, doch die samtbraunen Augen blieben wachsam. »In der Bibliothek des amerikanischen Nationalkongresses.«
Gott sei Dank, weder in der University of California noch in Santa Luisa.
»Wieso sind Sie hier nach Oxford gekommen? Besser konnten Sie es doch gar nicht antreffen.«
Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück und streckte sich aus. »Ich habe immer wieder gehört, wie gut es sich hier leben lässt. Auf Konferenzen lernt man häufig recht interessante Leute kennen, und irgendwie schien es mir, als ob die meisten von ihnen aus Oxford kamen. Als dieser Job hier frei wurde, hat mir einer meiner Bekannten die Stellenbeschreibung per E-Mail geschickt. Ich habe mich beworben und bin angenommen worden. So einfach ist das.«
Jetzt durfte auch Kate sich entspannen. Nichts in Martys Vergangenheit ließ auf eine Verbindung zu Jenna Coates oder dem Bücherdiebstahl in den Bibliotheken schließen. Martin L. Preston war tatsächlich ein so geradliniger, ehrlicher Mensch, wie sie von Anfang an geglaubt hatte.
»Warum stellen Sie diese Fragen?«, wollte er wissen. »Arbeiten Sie für das Sicherheitsteam?«
»Ich bin mit einem kleinen Projekt betraut worden. Aus einigen College-Bibliotheken sind Bücher entwendet worden, und es besteht ein gewisser Verdacht, dass ein organisierter Hehlerring dahinter steckt.«
»Hier in den Colleges? Das einzige schwarze Schaf, von dem ich hier je gehört habe, ist Mick Ennis. Der hat mit seinen Farbkopien von historischen Pornos sicher ein paar Kröten gemacht. Aber so schlimm finde ich das auch wieder nicht.«
»Danke Marty. Wenn sich das als richtig herausstellt, schulde ich Ihnen einen Drink.«
Daher also ihr ungutes Gefühl im St. Luke’s, und es erklärte auch den teuren Farbkopierer, auf den sie ihren Blumentopf gestellt hatte. Aber war Ennis vielleicht doch in schlimmere Dinge verwickelt als nur ein paar schmutzige Bücher?
Von Kates ursprünglicher Liste blieben jetzt nur noch zwei Punkte zu tun: Sie musste mit Susie Holbech sprechen, der Leiterin der Instandhaltung in Kennedy House, und sie musste den Schleimer Ian Maltby nach der Postkarte aus Santa Luisa fragen. Mit Ian Maltby würde sie vermutlich leichter zurechtkommen, aber da sie sich nun einmal in Kennedy House befand, war es einfacher, zunächst zu Susie Holbech zu gehen.
Kate klopfte an die Tür mit der Aufschrift »Instandhaltung« und trat sofort ein. Susie hob ihr mausgrau umrahmtes, unscheinbares Gesicht und runzelte die Stirn.
»Ich hoffe, Sie haben nicht noch mehr Anschuldigungen auf Lager«, sagte sie überlaut und holte tief Luft, als wolle sie fortfahren.
»Nein, nein, keineswegs«, platzte Kate blitzschnell in die Pause. »Könnten wir uns nicht hinsetzen und miteinander reden?«
»Muss das sein? Ich habe viel zu tun. Außerdem wartet bereits ein anderer Besucher.«
Da erst fiel Kate Graham Kieler auf, der in einer Ecke stand und in einem ledergebundenen Buch blätterte. Er sah Kate mit einem verschlagenen Ausdruck an.
»Ach, hallo«, begrüßte sie ihn. »Die Alarmanlage in Ihrem Auto ist wieder einmal losgegangen. Wahrscheinlich ist Ihre Batterie inzwischen längst leer.« Vielleicht konnte sie ihn so aus dem Zimmer locken. Wenn er nicht so blutleer aussähe, könnte sie ihn fast verdächtigen, mit Susie zu flirten oder sie sogar anzumachen.
»Bestimmt nicht in meinem Auto«, sagte er. »Mein Wagen ist heute in der Werkstatt. Aber machen Sie ruhig weiter, ich wollte sowieso gerade
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