Letzte Ausfahrt Oxford
gehen. Und Susie, bitte vergessen Sie nicht, was ich Ihnen gesagt habe: niemals ein Passwort, das man im Lexikon finden kann.« Aber Kate ließ sich nicht täuschen. Ganz sicher hatte sie die beiden nicht bei einer Unterhaltung über Passwörter unterbrochen.
»Stört es Sie, wenn ich mich setze?«, fragte sie, nachdem Graham gegangen war.
»Meinetwegen, wenn es sein muss. Dauert es lange?«
»Nein.«
»Aber wenn Sie hier nach weiteren Beweisen suchen, um den armen alten Victor in die Pfanne zu hauen, dürfen Sie gleich wieder gehen.«
»Ganz bestimmt nicht.« Dieses Verhör lief wirklich alles andere als gut, das musste Kate sich eingestehen. Sie atmete tief durch und wagte den Sprung ins kalte Wasser.
»Ich weiß, dass Jenna Coates vergangenes Jahr mit Ihnen zusammengearbeitet hat. Können Sie mir vielleicht etwas über das Mädchen erzählen?«
Sofort erkannte sie, dass sie Susie völlig überrascht hatte. »Warum um alles in der Welt wollen Sie etwas über Jenna wissen?«
Wie viel durfte sie dieser Frau preisgeben, die unruhig auf ihrem Stuhl hin und her rutschte und nichts sehnlicher wünschte, als sie möglichst bald verschwinden zu sehen? »Sie war die Freundin einer Freundin. Ihrem Tod haftet noch immer etwas Geheimnisvolles an.«
»Das kann man wohl sagen. Sie wurde ermordet, aber ihr Mörder ist nie gefunden worden.«
So kam sie nicht weiter. »Was können Sie mir über das Mädchen erzählen? Welchen Eindruck hatten Sie von ihr?«
»Sie war ein wenig schwerfällig. Sehr motiviert, ehrlich bis an die Schmerzgrenze und nicht besonders attraktiv. War sie einmal zu einer Ansicht gekommen, hielt sie mit aller Macht daran fest, selbst wenn man ihr einen Irrtum nachweisen konnte. Zu allem Überfluss war sie eine kleine Wichtigtuerin.«
»Sie mochten sie nicht besonders?«
»Mir liegen eher anpassungsfähige, raffinierte Menschen.«
»Haben Sie eine Ahnung, warum sie ermordet wurde?«
»Ich dachte, sie hätte sich im Auto mitnehmen lassen und wäre von einem Triebtäter umgebracht worden.«
»Nicht unbedingt.«
»Nun, unter diesen Umständen vermute ich, dass sie vielleicht einmal zu oft ihre Nase in fremder Leute Angelegenheiten gesteckt hat. Sie konnte einen mit dieser Art ziemlich irritieren.«
»Mehr wissen Sie nicht?«
»Wir haben zusammen an der Kilworth-Sammlung gearbeitet. Kinderbücher, wissen Sie. Die Bücher mussten vor der endgültigen Erfassung und ehe sie dem Publikum zugänglich gemacht wurden auf eventuelle Beschädigungen überprüft werden. Ich fürchte, die Arbeit war nicht gerade aufregend, aber sie hat dabei die Grundlagen der Instandhaltungsarbeit gelernt.«
»Vielen Dank. Ich möchte Sie nicht länger stören.« Kate stand auf und war bereits an der Tür, als sie Susie sagen hörte: »Sie könnten versuchen, Ian Maltby in der Bodleian zu fragen, ob er etwas Genaueres weiß. Ich glaube, er hat sie eine Zeit lang ein wenig angemacht. Aus welchem Grund auch immer.«
Auf dem Weg nach draußen erkundigte sich Kate am Empfang nach dem schwarzen Fiesta.
»Niemand weiß, wem er gehört. Wahrscheinlich hat jemand den Wagen hier einfach unerlaubt abgestellt.«
Der Pförtner folgte Kate in den Hof. Die Alarmanlagen waren verstummt, und der schwarze Fiesta war fort.
Kate hatte es eilig, wegzukommen. Sie brauchte jetzt einen verschwiegenen Ort, wo sie den im Kofferraum versteckten Einkommensteuer-Ordner in Ruhe ansehen konnte. (Was sollte sie tun, wenn der Ordner tatsächlich das enthielt, was außen vermerkt war?, überlegte sie. Nun ja, wahrscheinlich würde niemand den Einzelheiten seiner Steuererklärung nachweinen; schließlich handelte es sich weder um Liebesbriefe noch um ein Romanmanuskript oder etwas ähnlich Wichtiges.) Sie sah auf die Uhr. Andererseits blieb ihr gerade noch genügend Zeit, in die Innenstadt zu fahren, einen Parkplatz zu suchen, in die Bodleian zu gehen und mit Ian Maltby zu sprechen, ehe er Feierabend hatte. Ein Stündchen konnte der Ordner für den Kurs Kreatives Schreiben auf jeden Fall noch warten, entschied sie und startete den Motor. Ein ungutes Gefühl beschlich sie: was, wenn Vivian Moffatt jegliche nützliche Information aus dem Ordner entfernt hatte, ehe er ihn so in seinem Auto deponierte, dass sie ihn finden musste?
Kate lugte um die Ecke. Ian Maltby war noch in seinem Büro. Als er ihrer ansichtig wurde, fuhr er sich mit der Hand über das Haar und schenkte ihr sein vermeintlich verführerischstes Lächeln. Ekelhaft, dachte
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