Letzte Bootsfahrt
nach wenigen Sekunden kam die Frau des Loisl, die Gasperlmaier bei der Beerdigung der Voglreiterin kennengelernt hatte, an die Tür. Als sie Gasperlmaier erblickte, erblühte auf ihrem Gesicht ein Lächeln. „Ah, Herr Inspektor! Wir kennen uns ja schon! Womit kann ich euch denn dienen?“ Gasperlmaier erinnerte sich noch gut an das längere Gespräch, in das ihn die Frau des Loisl bei der Beerdigung verwickelt hatte. Sie hatte sich sehr für seine und Loisls Kindheit interessiert. „Kohlross, Bezirkspolizeikommando Liezen.“ Die Frau Doktor streckte ihr den Ausweis entgegen. „Dürfen wir reinkommen? Wir hätten ein paar Fragen.“
Auch drinnen, fand Gasperlmaier, sah das Haus sehr gepflegt aus. Die Frau Voglreiter ging durch die Veranda voraus in einen Wohnraum, der neben einem großen Sofa auch eine traditionelle Sitzecke mit einer hölzernen Eckbank aufwies. Zur Küche hin war der Raum offen, zwischen Küche und Wohnraum erhob sich ein mächtiger Kachelofen, der angenehme Wärme abstrahlte. „Setzt’s euch hin!“, sagte die Frau Voglreiter und holte ohne zu fragen drei Stamperln und eine Flasche Schnaps aus der Glasvitrine neben dem Tisch. „Ihr trinkt’s doch einen?“ „Ich nicht!“, sagte die Frau Doktor, mit einem etwas vorwurfsvollen Seitenblick zu Gasperlmaier hin. Der aber beschloss, darauf nicht zu reagieren. Es wäre fast unhöflich gewesen, den Schnaps nicht anzunehmen, fand der, das gehörte sich in Altaussee einfach. Sowohl das Anbieten als auch das Trinken. Trotz des Einwands der Frau Doktor standen gleich darauf drei gefüllte Stamperl auf dem Tisch. „Prost!“, sagte die Frau Voglreiter und stürzte ihres in einem Zug hinunter. Ein wohliges „Ah!“ entfuhr ihr darauf. Sie ahnte offensichtlich nichts Böses, dachte Gasperlmaier.
„Frau Voglreiter, zuerst einmal: Haben Sie oder Ihr Mann einen schwarzen VW Golf?“ Die Frau Voglreiter schüttelte den Kopf. „Mein Mann hat einen weißen Audi A4, und ich hab einen Motorroller. Kein so ein Mopederl, sondern einen richtigen. Einen Honda, mit 39 PS . Geht 140. Wollen Sie ihn sehen?“ Die Frau Doktor schüttelte den Kopf. Das schien ja eine richtig Wilde zu sein, die Frau Voglreiter. Brauste mit ihrem Roller mit 140 durch die Gegend. „Wo ist denn Ihr Mann, Frau Voglreiter?“ „Wo soll er sein, in der Arbeit, wo sonst? Er kommt ja oft erst um sieben, halb acht heim. Sie haben viel zu tun in seiner Firma. Und nach der Arbeit fährt er oft noch zu seinem Elternhaus, da muss ja alles entrümpelt werden. Die Mathilde ist ihm keine große Hilfe, die dreht jeden Fetzen Papier dreimal um, bevor sie ihn wegschmeißt. Und die Hälfte davon holt sie nachher wieder zurück.“ Sie seufzte. „Für uns hat der Loisl momentan gar keine Zeit.“ Gasperlmaier wurde hellhörig. Wenn der Loisl gerade das Haus seiner Mutter ausmistete, vielleicht hatte er da irgendwas gefunden. Irgendwas, das mit der Geschichte von vor fünfzig Jahren zu tun hatte. „Wo arbeitet Ihr Mann denn?“ „In Liezen“, antwortete die Frau Voglreiter. „Seine Firma ist übrigens ganz in der Nähe vom Bezirkspolizeikommando, ich bin schon ein paarmal dran vorbeigefahren, wenn ich ihn besucht habe.“
„Frau Voglreiter, hat Ihr Mann Ihnen seit dem Tod Ihrer Schwiegermutter irgendwas über seine Mutter erzählt, was sie noch nicht gewusst haben? Hat er irgendwas in ihrem Haus gefunden?“ Die Frau Voglreiter zuckte mit den Schultern. „Wissen Sie, er ist nicht so einer, der dauernd über alles redet. Er ist eher der schweigsame Typ. Vor allem, wenn’s ihm nicht so gut geht. Da erfahr ich wenig von ihm.“ „Und in letzter Zeit?“, hakte die Frau Doktor nach. „Wie war er da?“ „Noch ein Stamperl?“, fragte die Frau Voglreiter statt einer Antwort, als sie sah, dass Gasperlmaier den letzten Rest des Schnapses geleert hatte. Der übrigens wesentlich milder und fruchtiger war als das Teufelszeug des Aschauer Otto. Gasperlmaier nickte und fing sich einen vernichtenden Blick der Frau Doktor ein. Er würde ihr später erklären müssen, dass er nur deswegen einen zweiten getrunken hatte, weil er wollte, dass die Frau Voglreiter weiterhin gesprächig blieb. Sie selbst schenkte sich auch noch einen ein, während der Schnaps der Frau Doktor unberührt vor ihr stand. Die Frau Voglreiter sah zum Fenster hinaus. „In der letzten Zeit ist mir nichts an ihm aufgefallen. Aber was wollen Sie eigentlich von mir? Was soll die ganze Fragerei?“ Ihre Laune hatte sich schlagartig
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