Letzte Bootsfahrt
hinten polterte der Friedrich heran, der ein wenig entschiedener auftrat als Gasperlmaier. „Schauen wird man ja wohl noch dürfen!“, murrte der Mountainbiker, der sich eben eine neongelbe Jacke übergestreift hatte. „Hier gibt’s für euch nix zu sehen!“, schimpfte der Friedrich und scheuchte die Leute mit dem Wedeln seiner riesigen Pranken tatsächlich ein wenig zurück.
In diesem Augenblick tauchte die Maggie Schablinger auf und stand wenige Sekunden später grinsend als Einzige direkt vor der Absperrung. „Findet’s euren Serienkiller nicht?“, fragte sie Gasperlmaier, während sie ihm ein Diktiergerät direkt unter die Nase hielt. „Wie viele soll er denn noch umbringen, bevor ihr euch einmal rührt’s?“ „Halten S’ die Goschen, Fräulein“, brummte der Friedrich völlig ungerührt. „Und du, Gasperlmaier, geh zur Frau Doktor, und lass mich mit der Frau Schablinger allein, damit ihr nicht wieder aneinandergeratet!“ Aneinandergeratet! Er war mit der Schablinger nicht aneinandergeraten, er hatte sie bloß davon abhalten wollen, sich dem Tatort zu nähern, und sie hatte sich schreiend auf den Boden fallen lassen. So war das gewesen. Wenn ihm nun nicht einmal der Friedrich glaubte, dann war das schon eine schwere Enttäuschung für ihn.
„Servus, Gasperlmaier!“ Der Aschauer Otto trat zu Gasperlmaier hin. „Gut geht’s Geschäft! Wir wissen gar nicht mehr, wohin mit den Leichen!“ Der Otto war der Gehilfe vom Fredl, dem Leichenbestatter aus Altaussee. „Den Manzenreiter haben s’ aber schön zugerichtet!“, fügte er hinzu und zündete sich am Stummel einer abgerauchten Zigarette eine neue an. Dazu hustete er so heftig, dass Gasperlmaier besorgt war, er würde ihn am Ende mit Tuberkulose anstecken. „Ja, ja!“, sagte Gasperlmaier nur, der nicht recht wusste, was er jetzt tun sollte. Den Manzenreiter Sepp, so stellte er fest, hatte man schon aus dem Führerhaus des Lieferwagens herausgeholt. Drinnen bemühten sich zwei Gestalten in weißen Overalls, eventuelle Spuren zu sichern. Gasperlmaier konnte die Füße des Manzenreiter Sepp zwischen den zahlreichen Polizeibeamten, die die Leiche umstanden, herausragen sehen. Er trug Schuhe mit einem soliden Profil.
„Magst einen?“, fragte der Otto und hielt Gasperlmaier einen Flachmann hin. „Ich denk mir, du kannst einen brauchen!“ Gasperlmaier sah sich den Flaschenhals besorgt an, dachte an den Hustenanfall des Otto von vorhin, entschloss sich aber dennoch, einen kräftigen Schluck zu nehmen. Schließlich desinfizierte Alkohol ja. Etwas, das sich anfühlte wie eine Flamme, breitete sich von seinen Lippen über die Zunge und den Rachen nach unten aus, und wie glühende Lava ergoss sich die Flüssigkeit in seinen Magen. Gasperlmaier traten Tränen in die Augen, und er musste nun ebenfalls heftig husten. Der Otto schraubte grinsend die Flasche zu. „Schwarzgebrannter Obstler! Von meinem Cousin!“, zischte er verschwörerisch. Der hatte Nerven, dachte Gasperlmaier. Mitten zwischen einem Dutzend Polizisten trank der illegal gebrannten Alkohol und bot sogar einem Polizisten davon an. Als der erste Schock abgeflaut war, breitete sich nun aber eine wohlige Wärme in Gasperlmaiers Eingeweiden aus, die bis zum Kopf emporstieg.
Die Frau Doktor löste sich aus der Gruppe um den Getöteten und schritt auf Gasperlmaier zu. „Haben Sie gesehen, Gasperlmaier? Wieder kein eigenes Tatwerkzeug mitgebracht, wieder die Sache mit der Entblößung. Wenn wir noch einen Beweis dafür gebraucht hätten, dass wir es mit einem Serientäter zu tun haben, dann hätten wir ihn jetzt.“ Gasperlmaier fiel plötzlich ein, dass damit seine Hoffnung, ein Mitglied des Avalon-Kreises würde sich als Täter oder Täterin entpuppen, endgültig dahingeschwunden war. Gleichzeitig bedeutete das, dass wahrscheinlich die Mutter auf irgendeine Weise in die ganze Affäre verstrickt war. Diese Vorstellung verursachte ihm Magenschmerzen. Wenn sie nicht vom Schnaps des Aschauer Otto herrührten, der, wie Gasperlmaier mit einem Seitenblick feststellte, sich die Wartezeit bis zum Abtransport der Leiche schon wieder mit einem tiefen Schluck aus dem Flachmann vertreiben musste. „Wenn wir den schwarzen Golf und seinen Fahrer finden, dann haben wir den Mörder. Es muss irgendjemand aus dem Umkreis der Friedl Voglreiter sein. Auf jeden Fall müssen wir uns den Paul Lukas genauer ansehen, und die Exhumierung der Frau Voglreiter ist beschlossene Sache. Ich habe schon mit dem
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