Letzte Bootsfahrt
versuchte, die Kassette so auf ihrem Schreibtisch zu platzieren, dass der Deckel den Inhalt verdeckte, aber die Frau Doktor hatte jetzt jede Rücksicht fallen lassen. „Zeigen Sie nur her, was drin ist!“ Sie trat hinter die Frau Dötzlhofer. „Das ist erheblich mehr als zwanzigtausend Euro, was ich da sehe. Da haben Sie also mehrere Gänse gerupft in der letzten Zeit?“ Gasperlmaier schlich vorsichtig näher und stellte fest, dass in der Kassette ganze Bündel von Hundertern, ordentlich mit Schleifen zusammengehalten, darauf warteten, von der erleuchteten Meisterin auf ein Schweizer Konto eingezahlt zu werden. Eigentlich, so dachte er, hätte sich die Meisterin, wenn sie wirklich erleuchtet gewesen wäre, davonmachen müssen, bevor die Frau Doktor ihr auf die Schliche kam. So würden ihr stattdessen die Finanzer ordentlich heimleuchten, wenn ihr die Frau Doktor wirklich eine Betriebsprüfung auf den Hals hetzte.
Die Frau Dötzlhofer zählte mit maskenhaft erstarrter Miene die zwanzigtausend Euro herunter und schob den Stapel Geldscheine wortlos der Frau Doktor hin. Die fingerte einen Block aus ihrer Handtasche. „Zwanzigtausend Euro dankend erhalten, Datum, Ort, Unterschrift. Recht so?“ Sie riss den Zettel vom Block ab und hielt ihn der Frau Dötzlhofer hin. Die starrte nur ausdruckslos vor sich hin, verschloss die Geldkassette wieder und verstaute sie in der Schublade. Da sie sich nicht für ihn zu interessieren schien, ließ die Frau Doktor den Zettel einfach auf den Schreibtisch fallen und stopfte das Geld in ihre Handtasche. Gasperlmaier wurde bewusst, dass sie nun, bis sie das Geld wieder los waren, eine äußerst schwere Verantwortung auf sich geladen hatten. Was, wenn sie in einen Unfall verwickelt wurden und die Handtasche verbrannte? Was, wenn sie einem dreisten Handtaschenräuber zum Opfer fielen?
„Gasperlmaier, wir gehen!“, rief ihm die Frau Doktor zu. An der Tür wandte sie sich allerdings noch einmal um. „Aber wir sehen uns wieder!“, ließ sie die Frau Dötzlhofer noch wissen, die zusammengesunken in ihrem Schreibtischstuhl kauerte und nun einen nicht mehr gar so erleuchteten Eindruck machte.
Später im Auto konnte sich die Frau Doktor immer noch nicht beruhigen. „Cupa Rahane Ka! Dass ich nicht lache! Das ist völliger Humbug, was die da produzieren. Und haben Sie das Geld gesehen, Gasperlmaier? Da waren mindestens hunderttausend Euro drinnen, mindestens! Einfach so, in einer Schreibtischschublade! Nicht einmal in einem Tresor!“ Gasperlmaier war wegen des Geldes besorgt. „Könnte sie es nicht verschwinden lassen, bis die Finanzbehörden nachschauen kommen?“ Die Frau Doktor lachte auf. „Da machen Sie sich einmal keine Sorgen. Die finden das, auch wenn sie es bis auf die Cayman-Inseln hinüber verschiebt. Und dass jeder, der Bargeld verstecken will, es im Spülkasten der Toilette versenkt, das wissen die auch!“ Gasperlmaier musste sich eingestehen, dass er im Falle einer Haussuchung wahrscheinlich darauf verzichtete hätte, auf dem Klo Nachschau zu halten. Die Vorstellung erinnerte ihn wieder an den Herrn Breitwieser. „Aber wegen dem Mord, sind wir da jetzt eigentlich weitergekommen?“, wollte er von der Frau Doktor wissen. Die aber zuckte nur mit den Schultern. „Die Frau Dunkl war’s nicht, da bin ich mir ziemlich sicher. Die spielt keine so tragende Rolle in diesem Kreis. Die Ehefrau auch nicht, die ist nicht kräftig genug. Die erleuchtete Meisterin selber? Wenig wahrscheinlich, aber denkbar. Sie hat aber sicher Leute für solche Jobs an der Hand, denke ich.“
Gasperlmaier verstand nicht recht, warum sie jetzt nach Altaussee zurückfuhren, hielt aber den Mund, weil er sich dachte, er werde es ohnehin bald genug erfahren. „Wir müssen einfach näher an den Mörder heran, Gasperlmaier!“, platzte die Frau Doktor plötzlich heraus. „Ich habe immer das Gefühl, dass wir dies und jenes herausfinden, dass es einen Haufen Verdächtige gibt, die schöne Motive haben, aber direkt den Finger draufgelegt haben wir noch nicht. So ein Gefühl einfach. Der Holzig hat Handlanger. Die Dötzlhofer hat Handlanger. Verdammt!“
Gasperlmaier merkte plötzlich, dass er bereits wieder heftigen Hunger hatte. Nachdem es gestern so hervorragend geklappt hatte, wollte er der Frau Doktor auch heute wieder den Vorschlag machen, zu Mittag irgendwo einzukehren. „Haben Sie auch schon Hunger?“, fragte er deshalb vorsichtig. „Ach was, Hunger!“ Fast fühlte sich Gasperlmaier
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