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Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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„Sakrament, Sakrament!“, zischte der Herr Schnabel und mühte sich noch immer mit seinem Reißverschluss ab. Sein Gesicht war tiefrot.
    Die Frau war inzwischen ausgestiegen und stand Gasperlmaier gegenüber. Sie sah nicht schlecht aus, fand er, wenn man von den Augenringen und den Falten absah, die sich in ihr Gesicht gegraben hatten. Von hinten hatte sie allerdings viel jünger ausgesehen. „Sagen Sie einmal, was soll denn das? Sind Sie wahnsinnig geworden?“, schrie sie Gasperlmaier und die Frau Doktor an. „Keineswegs.“ Die beiden Frauen standen sich, durch das Auto getrennt, feindselig gegenüber. „Der Herr Schnabel ist in einen Mordfall in seiner Familie verwickelt. Und wir haben jedes Recht, ja sogar die Pflicht, herauszufinden, was er damit zu tun hat.“ Die Frau Doktor holte ihren Ausweis aus der Tasche. „Kohlross, Bezirkspolizeikommando Liezen, Steiermark. Darf ich fragen, wer Sie sind?“ „Hollenburg, Doktor Eva Hollenburg. Ich vertrete den Herrn Schnabel in Angelegenheiten …“ Kurz zögerte sie. „Rechtlich“, fügte sie schließlich hinzu.
    Der Herr Schnabel hatte sich jetzt auch aus seinem Autositz befreit und stand nun neben der Frau Doktor. Gasperlmaier hatte den Eindruck, dass er gern etwas gesagt hätte, aber nicht wusste, was. „Schau, schau!“ Die Frau Doktor lächelte ihn an. „Wollen wir uns am Ende scheiden lassen? Und haben wir uns nicht nur eine Rechtsvertretung besorgt, sondern auch gleich einen Scheidungsgrund mit dazu?“ „Das hat aber gar nichts mit …“, brauste der Herr Schnabel auf, während die Frau Hollenburg, wie Gasperlmaier beobachten konnte, warnend den Zeigefinger vor die Lippen hielt und leise durch die Zähne zischte.
    Die Frau Doktor musterte die Frau Hollenburg, die ihren Blicken aber standhielt und ihre Arme verschränkt auf das Autodach legte. „Es geht also um eine Scheidung“, bohrte die Frau Doktor nach. Die Frau Hollenburg hob bloß resigniert ihre Hände, widersprach aber nicht. „Sie wissen von dem Mord an Ferdinand Breitwieser, dem Schwiegervater Ihres …“, die Frau Doktor grinste süffisant und betonte das folgende Wort mit einem ironischen Unterton: „… Mandanten!“ Die Frau Hollenburg nickte. „Ich rate Ihnen, über den Vorfall hier Stillschweigen zu bewahren. Sie nützen weder Ihren Ermittlungen noch sonst wem, wenn Sie das hier an die große Glocke hängen.“ Die Frau Doktor nickte. „Kein Problem. Wenn Sie mir zugestehen, dass ich an der geplanten Scheidung des Herrn Schnabel ein wenig Interesse habe. Es ist ja so, dass die Frau Schnabel über ein nicht unbedeutendes Vermögen verfügt, das sich noch erheblich vergrößern wird, wenn sie ihre Eltern beerbt. Was schätzen Sie, wird der Herr Schnabel da mitnaschen können, wenn er sich scheiden lässt? Wahrscheinlich nichts, wenn ich im Scheidungsverfahren aussage, in welcher Situation ich Sie hier vorgefunden habe!“
    Der Herr Schnabel atmete heftig und stoßweise. Hoffentlich würde er keinen Herzinfarkt bekommen, hier mitten im Wald. Was die Frau Doktor Hollenburg am Herrn Schnabel fand, konnte sich Gasperlmaier beim besten Willen nicht erklären. Manchmal kam man wirklich nicht darauf, wie Frauen dachten und was sie bewegte. „Ich möchte Sie nur darauf hinweisen“, fuhr die Frau Hollenburg fort, „dass mein Mandant keinerlei Motiv für den Mord gehabt hätte. Er profitiert vom Ableben des Herrn Breitwieser so lange nicht, so lange dessen Frau lebt.“ „Na ja!“, richtete die Frau Doktor nun das Wort an den Herrn Schnabel, der sich an einen Baum gelehnt hatte und weiterhin schwer atmete. „Da hat es vielleicht schon einen Plan gegeben. Entweder der Frau Breitwieser einen Sachwalter zur Seite stellen, immerhin versucht sie ja, ihr Vermögen einem esoterischen Zirkel zu überlassen. Oder vielleicht einen zweiten Mord. Wenn man einmal damit angefangen hat, nicht wahr, Herr Schnabel …“
    Die Frau Hollenburg zog eine steile, senkrechte Falte auf ihrer Stirn. „Herr Schnabel, steigen Sie bitte ein. Wir beenden jetzt dieses Gespräch und fahren weg. Wenn weitere Befragungen nötig sein sollten, wird uns die Frau Kohlross eine Vorladung zusenden. Sonst gibt es von unserer Seite her nichts zu sagen.“ Sie setzte sich in ihr Auto und ließ den Motor an. Der Herr Schnabel lehnte immer noch an seinem Baum und musste, um zur Beifah­rertür zu gelangen, an der Frau Doktor vorbei. Gasperlmaier hatte den Eindruck, dass er davor Angst hatte. Die Frau Hollenburg trat, um

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