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Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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schoss der Audi los. „Da vorne, der Mercedes! Sie ist am Steuer!“ Gasperlmaier sah vor sich ein elegantes Cabrio, von dem er sich nicht vorstellen konnte, dass es dem Herrn Schnabel gehörte. Die Frau Doktor folgte in sicherer Entfernung, ließ sogar einmal ein Auto von einer Seitenstraße einbiegen, das sich zwischen ihnen und dem Mercedes einreihte.
    In Altmünster bog der Mercedes rechts ab, und bald fand man sich auf schmalen Straßen, die bergauf, bergab, einmal links, einmal rechts durch das Hinterland des Traunsees führten. „Was haben die vor?“, fragte die Frau Doktor, die nun immer größeren Abstand halten musste, damit sie den Verfolgten nicht auffielen. Es herrschte nur wenig Verkehr.
    Nach einer Biegung mitten im Wald standen sie plötzlich an einer Kreuzung. Links ging es den Berg hinauf, rechts hinunter. Kein Mercedes in Sicht. „Was machen wir, Gasperlmaier?“ Der fühlte sich in der Rolle des Entscheidungsträgers nicht wohl. Nach ein paar unbestimmten Handbewegungen seinerseits bog die Frau Doktor links ab. „Wenn Sie meinen“, sagte sie. Gasperlmaier war nicht bewusst, dass er eine Richtung vorgegeben hatte. „Ich hab doch gar nichts …“, begann er. „Doch! Sie haben eindeutig nach links gedeutet. Und den Berg hinauf!“ Die Frau Doktor lächelte, während Gasperlmaier hoffte, dass sie den Mercedes nicht verloren hatten.
    Der Wald endete, und man gelangte auf ein Hochplateau, auf dem weit und breit kein Mercedes zu sehen war. Linker Hand breitete sich eine Wiese aus, rechts stand ein Gasthaus, als solches erkennbar nur an der übergroßen Bierreklame, die an der Fassade angeschraubt war. Die Frau Doktor hielt an, als die Asphaltstraße in einen geschotterten Platz mündete, auf dem einige wenige Autos parkten. Kein Mercedes. Nur ein älteres Paar holte gerade die Wanderstöcke aus dem Kofferraum und schnürte die Schuhe fester zu.
    „Tja!“ Die Frau Doktor schlug mit den Händen auf das Lenkrad. „Futsch und weg. Sind wir halt doch falsch abgebogen. Ihre Schuld, Gasperlmaier!“ „Ich hab mich doch noch gar nicht entschieden gehabt, als Sie losgefahren sind! Und ich hab überhaupt nicht nach links gezeigt!“, protestierte er, während die Frau Doktor wendete und wieder Fahrt aufnahm. Beruhigend patschte sie ihm auf den Oberschenkel. „War doch nur Spaß!“ Während Gasperlmaier dachte, dass es von seiner Seite aus überaus ungehörig gewesen wäre, auf den Oberschenkel der Frau Doktor zu patschen, wandte sich sein Blick nach rechts, und im Vorüberhuschen nahm er einen schmalen Forstweg wahr, der in den Wald hineinführte, und auf dem, halb verborgen durch herabhängende Zweige, ein Auto geparkt war. „Halt! Stopp!“, schrie er und fuchtelte mit den Händen. „Ich glaub, ich hab sie gesehen!“ Die Frau Doktor reagierte sofort und fuhr an den Straßenrand. „Wo denn?“ „Ein Stück zurück, im Wald!“ „Wir gehen zu Fuß!“, entschied die Frau Doktor. „Aber leise!“
    Es dauerte nicht einmal eine Minute, bis sie die Abzweigung in den Wald erreicht hatten. Der Weg bestand lediglich aus groben Traktorspuren, und Gasperlmaier wunderte, dass der Mercedes nicht mit der Bodenplatte aufgesessen war, so uneben zog sich die Fahrspur in den Wald hinein. Die Frau Doktor legte den Finger vor den Mund und schlich sich, die Deckung der Bäume nutzend, an den Wagen heran. Gasperlmaier folgte ihr. Das Dach des Cabrios war nun geschlossen. Als sie seitlich ganz nahe an den Mercedes herangekommen waren, grinste ihm die Frau Doktor zu und bedeutete ihm mit Handzeichen, näher zu kommen.
    Die Fenster des Wagens waren ein wenig beschlagen, dennoch konnte Gasperlmaier deutlich die Fahrerin erkennen, und eine Hand, die in ihrer Bluse herumwühlte. Die Frau Doktor trat hinter den Bäumen hervor und klopfte an die Windschutzscheibe. Gasperlmaier war ihr rasch gefolgt und konnte noch sehen, wie die Frau ihre Hand aus dem Hosenschlitz des Herrn Schnabel zog und hektisch versuchte, ihre Bluse wieder zuzuknöpfen. Der Herr Schnabel war währenddessen mit dem Reißverschluss seiner Hose beschäftigt. Hoffentlich, so dachte Gasperlmaier bei sich, klemmte er sich da nicht gerade etwas ein. Wenn man es allzu eilig hatte, ging ja meistens etwas schief, und dann dauerte es umso länger, wusste er aus eigener, leidvoller Erfahrung.
    Die Frau Doktor ging vorne um das Auto herum und öffnete die Beifahrertür. „Guten Tag, Herr Schnabel“, sagte sie. „Möchten Sie uns der Dame nicht vorstellen?“

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