Letzte Bootsfahrt
ihre Eile zu unterstreichen, ein paarmal kräftig aufs Gas. Endlich stieß sich der Herr Schnabel vom Baum ab und wankte unsicher auf das Auto zu. „Ich war es nicht! Ich war es wirklich nicht!“, flüsterte er. „Bitte sagen Sie nichts meiner Frau!“ Als er die Tür zugeschlagen hatte, schoss der Wagen rückwärts aus dem Wald. Schlamm spritzte zu beiden Seiten aus den Kotflügeln, doch das schien der Frau Hollenburg egal zu sein. Als sie die asphaltierte Straße erreicht hatte, entfernte sich der Mercedes mit quietschenden Reifen.
Die Frau Doktor schüttelte den Kopf. „Man fragt sich, wie sich eine Frau wie die Frau Hollenburg mit so einem Mann einlassen kann!“ Sie wandte sich Gasperlmaier zu. „Oder wie sehen Sie das?“ Er nickte. „Genauso!“, stimmte er zu. „Aber er kann doch nicht auch den Doktor Schwaiger …“ Die Frau Doktor schüttelte abermals den Kopf. „Vielleicht hat sie sich von der Vertretung des Herrn Schnabel ein gutes Geschäft erhofft. Es geht ja um viel Geld – da sind manche Frauen durchaus zu einigem Körpereinsatz bereit!“, sagte sie. Das, so fand Gasperlmaier, war nicht gerade frauenfreundlich gedacht, und er wunderte sich ein wenig darüber, dass die Frau Doktor einer Geschlechtsgenossin ein so berechnendes Vorgehen zutraute.
Die Frau Doktor hob ihren linken Fuß und betrachtete versonnen die Schlammverkrustungen, die ihre Schuhe nun zierten. Immerhin, so dachte Gasperlmaier, waren die nicht gleich hin, man konnte sie sicher putzen. Besser, als wenn sie mit den offenen Schuhen in den Schlamm hineingetreten wäre. „Wer weiß, vielleicht hat er doch mit dem Doktor Schwaiger auch ein Hühnchen zu rupfen gehabt.“ Sie nahm einen herumliegenden Ast zur Hand, um die gröbsten Schmutzbrocken von ihren Schuhen zu entfernen. „Jedenfalls werden wir eine DNA -Probe von ihm untersuchen. Wenn die dann übereinstimmt mit den Spuren, die wir gesichert haben, dann wird er uns einiges erklären müssen.“
Die Frau Doktor streifte einen Handschuh über und holte ein Plastiksäckchen aus ihrer Handtasche. Rasch bückte sie sich neben dem Baum, an dem der Herr Schnabel gelehnt hatte, und hielt triumphierend ein Papiertaschentuch in die Höhe. „Das wollte er anscheinend hier loswerden. Auf jeden Fall ist es nicht zufällig aus seiner Hosentasche gefallen. Wahrscheinlich hat er gedacht, ich seh es nicht.“ Sie stopfte das Papiertaschentuch in den Plastikbeutel und drückte die Verschlussleiste zu. „Was glauben Sie, was uns der Herr Schnabel da für eine Körperflüssigkeit hinterlassen hat?“ Gasperlmaier antwortete nicht, musste aber an die Hand der Frau Hollenburg im Hosenschlitz des Herrn Schnabel denken und wollte es eigentlich auch gar nicht genauer wissen.
„Wahrscheinlich“, sagte Gasperlmaier, als sie versuchten, wieder zur Bundesstraße zurückzufinden, „ist die Frau Hollenburg verheiratet.“ „Wieso?“, fragte die Frau Doktor zurück. „Na ja, sonst hätte sie den Herrn Schnabel ja in ihre Wohnung mitnehmen können.“ „Hat was für sich“, antwortete die Frau Doktor, „muss aber nicht sein. Manche Leute stehen auf so was.“ „Aber, aber“, entrüstete sich Gasperlmaier, „wenn man doch auch in einem Bett, ich meine, warum dann im Wald? Im Auto?“ Die Frau Doktor grinste anzüglich. „Mal ehrlich, Gasperlmaier. Haben Sie noch nie im Freien, oder im Auto …“ So wie es Gasperlmaier sonst fast ständig tat, ließ diesmal auch die Frau Doktor einen Satz unvollendet, und Gasperlmaier hoffte, dass sie nicht auf einer Antwort bestehen würde. Es war ihm so schon peinlich genug, dass hier, in ihrem Fahrzeug, über Sex im Auto geredet wurde. Gott sei Dank hatte die Frau Doktor heute wenigstens keinen kurzen Rock an.
14
Auf der Rückfahrt nach Altaussee schwieg die Frau Doktor vor sich hin. Da sie einen für ihre Verhältnisse recht zivilisierten Fahrstil gewählt hatte, ging Gasperlmaier davon aus, dass ihr Gedanken zu den beiden Mordfällen durch den Kopf gingen. Er hingegen hatte Hunger und fragte sich, wie er es diesmal anstellen sollte, die Frau Doktor unauffällig in die Nähe einer Einrichtung zu lenken, wo man etwas zu essen bekommen konnte.
„Ich glaub, ich lass die Friedl Voglreiter exhumieren“, sagte die Frau Doktor plötzlich, als sie die Ortschaft St. Agatha am Fuß des Pötschenpasses hinter sich gelassen hatten. Der Audi schoss vorwärts und heulte laut auf, als sie zurückschaltete, um die Steigung in Angriff zu nehmen.
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