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Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Titel: Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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zudem, dass die Tester der beiden großen Gourmetführer, Guide Gabin und Levoir-Brillet, Firmenwagen mit einer 38 fuhren, meistens solche von Peugeot.
    »Na denn, Claudine«, sagte Kieffer und trat seine halb gerauchte Ducal aus. »Op an d’Schluecht!«

2
    Kieffers Restaurant befand sich in einem dreistöckigen Steinhäuschen, das mit seinem Holzschindeldach, den Schießscharten und der eisenbeschlagenen Eichenpforte wie ein kleines Kastell aussah. Während der napoleonischen Besatzung im 19. Jahrhundert hatten die Franzosen das Gebäude am Hang errichtet, um ihren Wachsoldaten Unterschlupf zu gewähren und nach feindlichen Truppen Ausschau zu halten.
    Das eigentliche Restaurant war im Erdgeschoss untergebracht, die Küche befand sich im ersten Stock. Dort stand Xavier Kieffer nun an seinem Platz neben dem Speiseaufzug und wartete auf das Klingeln, das die Ankunft der kleinen Kabine ankündigte. Als es schellte, öffnete er die Klappe und nahm eine kleine Klemmtafel heraus, auf der ein handgeschriebener Bestellzettel befestigt war.
    »Was will er?«, rief Claudine aus dem hinteren Teil der Küche, ohne von der Arbeitsplatte aufzusehen, auf der sie mit einem großen Messer in atemberaubender Geschwindigkeit Karotten in hauchdünne Juliennestreifen verwandelte.
    »Einen Salat.«
    »Nur einen Salat?«
    Kieffer sah auf den Zettel, auf dem Jacques die Bestellung des mysteriösen Franzosen vermerkt hatte. Mit einem Kugelschreiber hatte der Kellner eine Reihe von Abkürzungen darauf gekrakelt: »2 Sal, 3 Bou, C4 Pat, 17 Civ m. Grom, 26 Que«. Kieffer kannte seine Speisekarte auswendig. Aus der Bestellung ergab sich folgendes Menü:
    Grüner Salat
    Bouneschlupp
    Rieslingpaschtéit
    Civet de lièvre, façon luxembourgeoise
    Quetscheflued mat Vanilleglace
    »Er möchte eine Bohnensuppe, dann die Pastete, danach Hasenpfeffer und zum Dessert Zwetschgenkuchen.«
    »Er ist ein Tester, ich sag’s dir.«
    »Oder er hat einfach Hunger und kennt unsere Portionen nicht.«
    Kieffer ließ Claudine mit ihren Juliennes alleine und stieg die steile Steintreppe in den Schankraum hinunter. Inzwischen waren noch drei weitere Gäste eingetroffen, ansonsten war das Lokal leer. Er griff nach einer Weinkarte und hielt sie seinem Kellner Jacques fragend hin. Der schüttelte den Kopf.
    Kieffer klemmte sich die Karte unter den Arm und ging auf den Tisch des mutmaßlichen Gastrokritikers zu. Der Mann, der an einem Ecktisch auf einer Holzbank saß, hatte zurückgegeltes schwarzes Haar und blickte Kieffer durch eine etwas altmodische braune Hornbrille an. Er mochte um die 40 sein und trug ein blaues Button-Down-Hemd, ein schokoladenfarbenes Cord-Jackett sowie eine englische Regimentskrawatte. Ein Franzose, dachte Kieffer, der den englischen Landadeligen mimt? Das kann ja heiter werden.
    Weil er sich angesichts dieser Erscheinung ein Grinsen ohnehin nicht verkneifen konnte, setzte Kieffer lieber gleich sein breitestes Chefkoch-Lächeln auf. »Bonsoir, Monsieur. Möchten Sie einen Blick in unsere Weinkarte werfen?«
    »Ja, gerne«, sagte der Franzose – in einem Tonfall, der das Gegenteil von Interesse verriet. Er nahm die geöffnete Karte entgegen, schaute gelangweilt auf die aufgeschlagene Seite, um sie dann umgehend zuzuklappen. Er musterte Kieffer. »Was würden Sie denn empfehlen?«
    »Zu Ihrer Haupt- und Vorspeise würde ein Mosel-Riesling passen, sagen wir, ein Wormeldanger Stiercherg. Zu dem Hasenpfeffer vielleicht ein roter …«
    »Was für Spätburgunder haben Sie denn?«, unterbrach ihn der Franzose, der nun, ohne Kieffer eines weiteren Blickes zu würdigen, wieder in der Weinkarte zu blättern begonnen hatte.
    »Ich hätte einen Schengener Markusberg.«
    »Akzeptabel.«
    »Und zum Dessert dann vielleicht eine Mirabelle, Monsieur?«
    »Aus welcher Brennerei?«
    »Tasselbach, bei Septfontaines, 5000 Flaschen im Jahr, schwer zu bekommen. Meiner Ansicht nach der Beste.«
    »Hmmm. Na gut, bringen Sie ihn mal.«
    Na gut. Kieffer merkte, wie es in ihm zu brodeln begann. Er besaß ein dickes Fell, und es war nicht einfach, ihn zu beleidigen – außer bei zwei Punkten. Das Erste, was er nicht ausstehen konnte, war ein rüder, herablassender Tonfall. Das Zweite, was ihn auf die Palme brachte, waren Zweifel an der Qualität der von ihm verwendeten Produkte. Er mochte vielleicht nur ein kleines Restaurant betreiben, und seine Speisekarte bestand aus relativ schlichten Klassikern. Aber wenn es etwas gab, worauf er stolz war, dann war es die Auswahl

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