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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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starrenden Mann vorbei und schlossen wenig später das Schott von außen.
    Schnell zogen sie sich auf dem Längsgang an; eine schwere Stille liege hier, Luise fehlten die Worte. Sie ließ sich von Doppelbläser zur Messe ziehen und setzte sich an eine leere Back.
    Sie fragte nicht, wie Tommy das geschafft hatte, sie nahm einfach das Colaglas mit dem Schnaps in die Hand und kippte den Doppelkorn in einem Zug hinunter.
    Auch Tommy schüttelte sich, ehe er sagte: »Noch zwanzig Stunden, dann sind wir runter von der Rimbaud . Dann ist die Zeit in der Hölle vorbei.«
    »Du bleibst in meinem Deck und rührst dich nicht aus dem Zimmer!«, sagte sie ernst: »Von uns sind immer zwei auf Wache. Die anderen beiden passen auf dich auf.«
    Tommy nickte, langte über die Back und wollte Luises Gesicht streicheln. Sie aber entzog sich seiner Hand.
    »Ich danke dir«, sagte sie: »Du hast mich gerettet.«
    Tommy nickte wieder, ehe er leichthin sagte: »Du wirst mich auch noch retten, keine Sorge.«
    »Du hast mich vor dem Schicksal meiner Mutter bewahrt«, sagte sie leise.
    Er fragte nicht nach.
    Nach einer Weile sagte sie: »Und Sir hat mich gewarnt. – Ich habe die Situation falsch eingeschätzt. Als Chefin eures Bewacherteams habe ich völlig versagt.«
    »Aber du warst keine Chefin, du warst eine Frau! Du bist meine Freundin.«
    »Ich darf aber nicht Arbeit mit Privatem vermischen, niemand, kein ehrlicher Arbeiter und keine ehrliche Angestellte darf das je tun, verstehe doch. Die Folgen sind Lügen und Leiden! Immer!«
    »Nicht einmal ›Im Namen der Liebe‹?«
    »Hör auf mit dem Kitsch, Junge! Wir brauchen wieder einen klaren Kopf. Ich habe gleich Wache, und du gehst in meine Koje und verschließt das Deck von innen. Ich sage den Zwillingen, sie sollen ein Auge auf dich haben. Wir dürfen nichts mehr riskieren.«
    Luise stand auf, zog Tommy mit sich und brachte ihn in ihr Zimmer.
    »Hier bleibst du, Junge, wenn dir dein Leben lieb ist! Das ist kein Spiel mehr«, sagte sie und ging ohne ein weiteres Wort hinaus.
    Als die Zwillinge ins Deck kamen, lag Doppelbläser schon in Luises Bett und starrte auf seine Hände.
    Er inhalierte Luises Duft und erinnerte sich grinsend. Alles andere war ihm egal.
    Zweiunddreißig Walfänger hatten ganze Arbeit geleistet. Luise fand das Fangdeck aufgeklart. Auch auf dem Mittelschiff lag nichts mehr herum. Der Bug war gewienert, die Bugkanone war zusammengebaut und verstaut worden. Überall glänzten frische Farbflecke. Die Heckklappe war nach oben gezogen und vertäut worden. Nirgends lag mehr ein Netz, und ums gesamte Schiff herum war die Reling hochgeklappt worden, deren Laufleine Luise durch die Hand gleiten ließ, während sie das Oberdeck inspizierte. Die Fender lagen schon bereit, an die Reling geknotet, so dass sie nur noch außenbords geworfen werden mussten. Luise sah nach oben, auf der Brücke stand nur der Steuernde, der mit mürrischem Gesicht nach vorne sah. Er trug eine Sonnenbrille. Die Rimbaud wiegte sich um die Mittagszeit in einem seichten Wellengang, weit und breit sah Luise kein Schiff, keine Insel, nichts, was die Wellen brechen konnte. Nur das eigene Schiff.
    Auf dem Brückendach suchte Thomas den Horizont mit einem Seestecher ab, Luise hatte sich schon wieder beruhigt, der Kampf war ihr ja nicht mehr als ein Geplänkel gewesen. Sie hatte sich doch jederzeit unter Kontrolle gehabt. Wie leicht hätte sie den Basken töten können, aber als er sie dann auf dem Tisch gehabt hatte! Wäre der kleine Tommy nicht gewesen! Ihre alte Schwäche, den Gegner zu unterschätzen, ihre alte, dumme, blöde Schwäche! Luise umklammerte die Laufleine und zerrte an ihr.
    Als Chefin hatte sie versagt, in dem Augenblick, in dem sie den Jungen geküsst hatte. Sie war im Dienst gewesen, an Bord eines Schiffes war man immer im Dienst, vierundzwanzig Stunden an sieben Tagen die Woche, dafür hatte man dann ja diese viele Freizeit am Stück. Was für ein Mist!
    Wegen Thomas oder den Zwillingen brauchte sie sich keine Sorgen zu machen, die hatten schon dicht gehalten, als sie sich in Leonard verliebt hatte, das Küken der Kampfeinheit, dessen schöner Leib jetzt in den Bergen von Afghanistan verfaulte. Leo, auch so ein Löwe in Jünglingsgestalt, alles wiederholte sich doch immer nur! Luise ging langsam zum Mittelschiff, die nähere Umgebung im Auge behaltend, und zog sich die wetterfeste Kleidung zu. Sie nahm die Jacke des Ölzeugs vom Haken, der sich unter der Brückennock befand, und warf sie

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