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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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erzählte der Mutter, sie sei auf dem Rückweg, ihr Flugzeug gehe übermorgen und schon in drei Tagen sei sie wieder auf dem Flugplatz in Laage. Dann fragte sie, ob zu Hause alles in Ordnung sei.
    »Alles bestens«, hörte sie aus dem Rauschen heraus: »Ich bin gerade vom Lerncamp zurück. Du hast keine wichtige Post. Robert will tatsächlich Fischwirt werden. Ich habe schon eine Stellung für ihn gefunden. Die Bewerbung tippe ich gerade ins Reine. – Ich freue mich, dass du bald wieder da bist!«
    »Und sonst ist mit Robert alles in Ordnung? Da unten? Die fischen doch mitten im Piratengebiet?«
    »Alles in Ordnung. Er hat sich nicht gemeldet, und du weißt ja, wenn er sich nicht meldet, dann ist alles gut. Nur wenn er anruft, dann hat die See die Heimwehfesseln festgezurrt!«
    Luise nickte und legte wenig später auf. Komischerweise war sie keineswegs beruhigt. Sie überlegte einen Moment, ob sie die Saudade anrufen sollte, unterließ es dann aber.
    Sie stellte sich neben den Steuernden, sah durch die verschmierten Scheiben in die Nacht hinaus und schwieg.
    Die Positionslampen waren gesetzt, die Bugleuchte war eingeschaltet, die Armaturen blendeten in der Scheibe.
    »Nicht viel zu sehen«, sagte sie.
    »Mir reicht’s«, sagte der Steuernde.
    Luise nickte, ging wieder hinaus, um aufs Dach zu steigen, und setzte sich neben Thomas.
    »Und?«, fragte Thomas: »Lebt Robert noch?«
    »Ja«, sagte Luise: »Noch, ja.«
    Sie sah sich auf dem winzigen Dach um und schob die Pappe, auf der sie gesessen hatte, in Thomas’ Windschatten. Mit gekreuzten Beinen setzte sie sich und hielt ihm die offene Hand hin. Er legte den Seestecher hinein und sagte: »Nichts Genaues sieht man nicht.«
    Luise nickte und schraubte die Infrarotlinse vor die normale der Lupe. Vor die Linse der rechten knipste sie die Oberflächenwarmbildkamera, obwohl der Vollmond und die Milliarden von Sternen hier oben eine gute Sicht ermöglichten.
    »So wenig los in dieser Ecke«, sagte sie: »Oder? – Ich meine, nicht mal irgendwelche Trawler! Die verlassenste Ecke der Welt, scheint mir. – Na ja, gut für die Wale.«
    Thomas beugte sich vor, um sich eine Zigarette anzuzünden. Luise bekam Rauch in die Nase. Sie hustete, ohne den Seestecher vom Gesicht zu nehmen: »Da hinten blasen wieder zwei! Ich vermute, Finnwale, aber ich werde einen Scheiß tun, es dem Kapitän zu melden.«
    »Die Quote ist eh durch.«
    »Quoten! Stelle dir vor, wir hätten auf dem Balkan eine Quote gehabt! Pro Tag sieben Gegner und keinen einzigen mehr«, sagte sie und lachte.
    Thomas grinste, die Zigarette zwischen den Lippen: »Der saubere Krieg sozusagen. – Scheiße, wir fangen an, einen Seekoller zu bekommen, glaube ich. – Hast du keine Rätsel mehr da?«
    »Gar nichts. Alle gelöst. – Neulich habe ich von der Enkelin der großen Lai Choisan geträumt. Sie nannte sich zwar Wung Lee, Schlange von Afrika , war aber eine Vietnamesin.«
    » Berg des Schicksals hatte keine Verwandten. Sie operierte auch nur in der Bucht von Bias.«
    » Berg des Schicksals heißt aber auch Berg des Glücks .«
    »Und?«
    »Was ist das größte Glück der Menschheit? – Kinder! – Sie hat ihre Kinder nur versteckt. Ich sage dir, es gibt sie! Es gibt die Schlange von Afrika , und wir werden noch von ihr hören!«
    »Zusammen mit Goldener Anmut war Berg des Glücks aber die letzte Piratin in Südostasien. Die eine verschwand kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und die andere wurde achtunddreißig zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. – Bisschen lange her, findest du nicht? Und heute gibt’s doch nur noch Piraten aus Afrika.«
    »Ich habe sie aber im Traum gesehen. Ich habe mit ihr gekämpft! Auf einer Yacht! Fast drei Tage lang habe ich mit ihr um das Leben von Robert und Mathilde gekämpft. Soviel ist sicher: Ich bin vorbereitet! Wenn mir jemand sagt, die Piraten vor Somalia werden von einer Frau aus Vietnam angeführt, die sich Schlange von Afrika nennt, dann sage ich, gut so, gebt mir das Kommando, ich weiß, wie man afrikanische Schlangen tötet.«
    »Wie denn?«
    »Man hackt sich den Fuß von einem Elefanten ab und wirft ihn auf die Schlange!«
    Skeptisch sah Thomas zur Seite und bemerkte unter dem Seestecher ein ganz leichtes Zucken der Oberlippe. Er grinste, dann lachte er vor sich hin.
    Luise aber erzählte nicht, dass sie im Traum nicht nur Mathilde und Robert gerettet hatte. Sie hatte ja auch Tommy gerettet. Überhaupt, sie hatte alle Menschen gerettet, die ihr wichtig waren. Es

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