Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
Vom Netzwerk:
Zeug unterbrochen wird. Es ist einfacher, gut zu arbeiten. Und die anderen nervt man so nicht. Nichts persönlich nehmen, was im Job passiert, das ist die Formel. Wie die Walfänger hier sagen: ›Privates heißt privat, weil es privat ist.‹ Na ja, jetzt, wo auch Frauen endlich zur normalen Arbeitswelt gehören, müssen sie sich auch anpassen. Nicht mehr aufs Besondere bestehen, einfach nur den dreckigen Job mitmachen und abends wie all die alten Kerle stinken«, sagte Thomas und lachte.
    »Vielen Dank!«, sagte Luise und versuchte, es nicht persönlich zu nehmen. Oder hatte er gar nicht sie im Besonderen gemeint? Sie stank doch nicht? Oder doch? Und wenn schon! Fast hätte sie gefragt, wie Thomas das gemeint habe, konnte sich aber gerade noch zurückhalten, nicht in dieses weiblichste aller Fettnäpfchen zu treten.
    Sie nickte nur und sagte, sie habe den Auszubildenden Rahr bei sich unterbringen müssen. Für die letzten paar Stunden.
    »Was heißt hier, bei dir? Im Bett?«
    »Wo sonst.«
    »Das macht es nur noch schlimmer! Wenn das die Walfänger zu hören bekommen. Du kannst doch nicht, ich hab doch gerade erklärt, man darf das nicht vermischen, Job und das andere. – Ach, Luise, aber du bist eine der ersten Frauen in diesem Job! – Gebe es Gott, dass jene, die dir folgen, es besser verstehen.«
    »Wo sollte ich mit Tommy sonst hin? Es gibt keine andere Möglichkeit. Wir müssen ihn vor diesem Stier da unten beschützen. Dem gehorcht doch die Mannschaft, und für den Harpunier ist Tommy gerade das rote Tuch. – Sein Zimmernachbar.«
    »Und dazu ein halbes Hemd . Du verstehst nicht viel von Männern. – Ich denke, er würde dem Jungen nichts tun, er würde nur wütend herumschreien. Würde er den Jungen zusammenschlagen, dann würde er doch auch den Respekt der anderen Männer verlieren, glaube mir. – Und dieser Respekt auf seiner Rimbaud , der ist ihm das Wichtigste in seiner kleinen Welt.«
    Thomas stand wieder auf. Die ersten vier Stunden waren vergangen, allmählich wurde es schon wieder dunkel. Die Sonne war so plötzlich verschwunden, dass er es gar nicht mitbekommen hatte, dabei hatte er doch an diesem letzten Tag ein Handyfoto vom Untergang machen wollen! Immer diese Privatgespräche, sie waren das Einzige, was er an Luise nicht mochte. Allzu oft zog sie alles ins Persönliche. Könnte sie das doch nur abstellen, sie wäre ein Toppkamerad. – Und er müsste sich nun anhören, wie seine Chefin über ihm poppte? Toll! Thomas schritt das Brückendach ab und stellte sich schließlich mit dem Rücken zum Wind. Er steckte sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug.
    Dann drehte er sich zu ihr um und sagte: »Schon komisch, wie sauber das Deck jetzt wieder ist. Fast hundert Wale haben dran glauben müssen, und was ist übrig geblieben? Ein paar Fässer im Vorschiff.«
    Luise nickte. Auch sie dachte an das blutige Treiben zurück, das sie mit angesehen hatte, und einen Moment lang blieben die beiden Beschützer stumm, versunken in der jüngsten Vergangenheit. Abgerissene Walhäute, zerfetzte Gedärme, Kot und Urin spritzende Fontänen, gespaltete Schädel, das schreiende Baby an der Seite der toten Mutter, stinkender Tran und überall das Walblut, das bei den meisten Männern einen Rausch ausgelöst hatte. Am meisten beim Basken , wie der am Ende gestiert hatte, als er nicht mehr hatte töten dürfen! Luise schüttelte sich.
    Es war ein Blick, den sie von ihren Kameraden schon kannte. Sie selbst war diesem Rausch nie erlegen gewesen. Sie wusste, er befalle immer nur Männer. – Verdammt, wie sollte das denn gehen, kritisiert zu werden und sich dabei noch schön brav Notizen machen? Ohne mit der eigenen Persönlichkeit zu arbeiten; was redete Thomas da überhaupt? Luise erhob sich ebenfalls und sagte: »Ich gehe mal kurz auf die Brücke. Ich muss dringend meine Mutter anrufen. – Ja, es ist etwas Persönliches! – Was dagegen? – Irgendwie habe ich die ganze Zeit so ein komisches Gefühl. – Als wäre etwas mit Robert, meinem Stiefvater.«
    Thomas nickte und dachte nur: ›Geh du mal, du mit deinen Ahnungen!‹
    Luise ging an ihm vorbei, sie stieg die Stufen nach unten und stieß das Brückenschott auf.
    »Auf die Brücke!«, sagte sie, der Steuernde sah sich halb um und nickte müde: »Bin allein hier.«
    »Ich telefoniere mal kurz, in Ordnung?«, fragte Luise und ging mit dem Bordtelefon in die Rimbaudnische . Sie ließ sich aufs weiche Polster fallen und wählte Mathildes Festnetznummer.
    Sie

Weitere Kostenlose Bücher