Letzte Instanz
unentwegt darüber nach, wie ich
meine Karte in Seacliff ausspielen sollte.
Nach ein paar Minuten rief ich Adah
Joslyn zu Hause an. Ich legte ihr dar, was ich wußte, aber nicht beweisen
konnte, und bat sie und Wallace, zu dem Anwesen hinauszukommen.
Ich wußte jetzt, wer.
Ich glaubte auch zu wissen, warum.
Aber vieles war noch immer
unerklärlich. Blieb es womöglich für immer.
32
Adah Joslyn, Bart Wallace und ich
lehnten an einem zivilen Polizeifahrzeug. Die Straße vor dem Seacliff-Anwesen
war von Autos verstopft. Nachbarn standen an den Fenstern der angrenzenden
Häuser. Die Umgebung war fast taghell erleuchtet, und an der Einfahrt stand ein
Reporter von KPIX-TV und sprach in ein Mikrophon. Die Stimmung bei der Presse
war auf einem Tiefpunkt.
Ein paar Minuten zuvor hatte Richter
Valle sich an die Menge gewandt und gesagt, nur Inhaber von Sonderausweisen
hätten Zutritt zu dem Grundstück. »Dies ist ein Gericht«, sagte er, »und ein
Gericht darf nicht in einen Medienzirkus verwandelt werden.« James Wald, der
neben ihm stand, nickte zwar zustimmend, verzog aber ungehalten die Mundwinkel.
»Ein großer Abend für das Tribunal«,
sagte Adah, »und dann kommen der Richter und Keyes Development daher und machen
alles kaputt.«
Wallace grinste und klopfte Adah auf
die Schulter. »Auch für dich ein großer Abend, Kollegin. Du schnappst dir den
Typen, und kein Richter und kein Keyes Development können dir das kaputtmachen.«
Damit hatte ich schon die Antwort auf
die Frage, was Barts Zugeständnis an Adah dafür war, daß sie das komplette
Risiko dieses Falls auf sich genommen hatte: Sie bekam das komplette Verdienst
für die Festnahme zugeschrieben. Ich würde, wenn überhaupt, nicht viel Dank
ernten. Aber das ging schon in Ordnung. Mein Bekanntheitsgrad war ohnehin schon
ungemütlich hoch.
»Nun mal langsam, Bart«, sagte Adah.
»Wir haben nichts in der Hand für eine Festnahme, geschweige denn, um vor
Gericht zu bestehen.«
»Wie Sharon schon sagte, wird heute
abend hier etwas passieren« — er zeigte auf das Anwesen —, »und dann steht die
Tür weit offen.«
Ich merkte, wie nervös und gereizt ich
war. Ich wollte nicht mehr darüber reden. »Gehen wir«, sagte ich.
Wir schoben uns durch die Menge finster
blickender Reporter und gingen zur Auffahrt. Dort zeigten wir einer der Wachen,
die Keyes Development aufgestellt hatte, unsere Ausweise. Der Nebel war wieder
da. Er hing dicht in den Bäumen, verwischte Schatten und Konturen. Zögernd
folgte ich den beiden Inspektoren von der Mordkommission und kämpfte mit den
Bildern, die vor meinem inneren Auge entstanden.
Vor uns lag schemenhaft das Haus. Ein Lichtschein
durchdrang von der Eingangstür her den Nebel. Verschwommene Gestalten liefen
davor hin und her. Ich blieb stehen und sah durch die Dunkelheit zu der Stelle,
wo das Taubenhaus gestanden hatte. Vom Gate her tuteten Nebelhörner herauf —
zwei lange, traurige Töne, untermalt vom Dröhnen und Rauschen der Brandung.
Hätte ich das Wetter bestellen können,
wäre die Wiederholung der furchtbaren Nacht vor sechsunddreißig Jahren nicht
besser ausgefallen.
Vor mir trennten sich Joslyn und
Wallace. Sie sahen sich nach den Personen um, die sie überwachen sollten. Ich
schloß mich der Gruppe an der Tür an. Judy, Jack und Richter Valle standen dort
zusammen, und der Richter sagte etwas. Aber ein kalter Windhauch verwehte seine
Worte. Er winkte die Leute näher zu sich und begann noch einmal.
»Heute abend spielen wir eine Szene
nach, bei der ein Mord geschah. Solch eine Demonstration hat zwar etwas
Melodramatisches, aber wir gehen sie mit größter Ernsthaftigkeit an. Ich möchte
Sie daran erinnern, daß dies noch Teil der Gerichtsverhandlung ist und wir
deswegen keine Störungen dulden werden. Sind Sie soweit, Mr. Stuart?«
Jack trat vor und erklärte, daß man
jetzt ins Haus und im zweiten Stock in das Zimmer gehen werde, das damals die
zehnjährige Judy Benedict bewohnt habe. Miss Benedict werde die Führung
übernehmen und berichten, was sie in der Nacht des 2. Juni 1956 gehört und
gesehen habe.
Während Jack sprach, sah ich mir die
anderen Beteiligten an. Die Geschworenen standen zusammen, in schwere Mäntel
gehüllt. Manchen sah man deutlich an, daß dieser Ausflug in die Kälte, dazu an
einem Samstagabend, für sie mehr war, als eigentlich abgemacht. Jed Mooney
stand draußen am Rand der Versammlung. Sein schwarzes Neo-Beat-Outfit
verschmolz mit der Dunkelheit. Louise
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