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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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City genossen, einschließlich der Fahrten mit Xiao Dee Cheng, dachte Tony Angel gerade. Jeden Abend standen im Avellino ein, zwei Gerichte auf der Speisekarte, die der Koch seiner Arbeit mit Ah Gou im Mao's verdankte. Im Avellino wies der Koch auf die französischen oder asiatischen Ergänzungen seiner Speisekarte hin, indem er schlicht »Etwas Asiatisches« oder »Etwas Französisches« auf die Karte schrieb. Auch das hatte er im Mao's von Ah Gou gelernt. In Notfällen, wenn noch vor Samstagabend
sämtliche
Fische (und alle Austern und sonstigen Muscheln) verdorben waren, hatte der Koch auf Ah Gous Geheiß Pasta oder Pizza zubereitet.
    Dann stand »Etwas Italienisches« auf der Speisekarte.
    Wenn Fernfahrer von der Interstate im Mao's einkehrten, beschwerten sie sich regelmäßig. »Was'n das für 'n
italienischer
Mist? Ich dachte, ihr wärt 'n Chinarestaurant.«
    »Wir sind von allem etwas«, sagte dann Xiao Dee, der am Wochenende normalerweise den Oberkellner gab, während der Koch und Ah Gou in der Küche rackerten.
    Die Kellnerinnen waren eine Multikultitruppe rasend intelligenter asiatischer Studentinnen, von denen viele gar nicht aus Asien kamen, sondern aus Seattle oder San Francisco, Boston oder New York. Tzu-Min, Ah Gous relativ neue Flamme, war vor ein paar Jahren zum Jurastudium aus Taiwan an die University of Iowa gekommen, aber anschließend nicht in die Heimat zurückgekehrt, sondern wegen Mao's, Ah Gous
und
des Jurastudiums in Iowa City geblieben. Donnerstags abends, wenn der überdrehte Xiao Dee noch mit den Nachwirkungen der Schoko-Espresso-Kugeln zu kämpfen hatte, sprang Tzu-Min als Oberkellnerin ein.
    Im Mao's hatten sie kein Radio gehabt, erinnerte sich Tony Angel, während er die Gedecke im Avellino kontrollierte, das an diesem Abend im Spätfrühling 1983 noch nicht ganz für die Gäste geöffnet war. Im Mao's hatte Ah Gou einen Fernseher in der Küche gehabt - die Ursache zahlreicher Schnittwunden an Fingern und anderer Unfälle mit Messern und Hackebeilen, wie der Koch glaubte. Doch Ah Gou hatte sich gern Sportübertragungen und Nachrichtensendungen angesehen. Manchmal wurden die Football- oder Basketballspiele der University of Iowa übertragen, dann wusste die Küche schon vorher, ob sie es nach dem Spiel mit euphorischen oder niedergeschlagenen Gästen zu tun bekamen.
    Zu der Zeit verlor die Ringermannschaft der University of Iowa selten - noch viel seltener zu Hause -, und während dieser zweitägigen Wettkämpfe fand sich eine besonders aufgekratzte und hungrige Meute im Mao's ein. Daniel war mit dem kleinen Joe zu den meisten Ringerveranstaltungen in Iowa City gegangen, fiel dem Koch plötzlich ein. Vielleicht hatte der Erfolg des Ringerteams von Iowa Joe zum Ringen animiert, als er die Northfield Mount Hermon besuchte; sehr wahrscheinlich hatte Ketchums Ruf als Kneipenschläger nichts damit zu tun.
    In seiner Küche im Avellino hatte Tony Angel einen achtflammigen Garland-Gasherd mit zwei Backöfen und einem Bratrost. Außerdem hatte er einen dampfbeheizten Warmhaltetisch für die Hühnerbrühe. Wenn im Mao's Hochbetrieb geherrscht hatte, konnten sie an einem Abend achtzig bis neunzig Personen bewirten, doch das Avellino war kleiner. Tony hatte selten mehr als dreißig oder vierzig Gäste am Abend - höchstens fünfzig.
    An diesem Abend bereitete der Koch eine Rotweinreduktion für die geschmorten Rinderrippen vor, und in dem Warmhaltetisch hatte er sowohl helle als auch dunkle Hühnerbrühe. In der Kategorie »Etwas Asiatisches« servierte er Ah Gous Rindfleisch-Satayspieße mit Erdnusssauce und gemischten Tempura - ein paar Garnelen, grüne Bohnen und Spargelstücke. Es gab die üblichen Pastagerichte - unter anderem die Calamari mit schwarzen Oliven und Pinienkernen auf Penne - und zwei beliebte Pizzas, einmal mit Salami und Marinarasauce, zum anderen mit Pilzen und vier Käsesorten. Er hatte ein Brathähnchen mit Rosmarin im Angebot, das auf einem Bett aus Rucola und gegrilltem Fenchel serviert wurde, und eine gegrillte Keule vom Frühlingslamm mit Knoblauch sowie ein Pilzrisotto.
    Greg, der junge Sous-Chef des Kochs, hatte in Manhattan die Kochschule an der Ninety-second Street besucht und lernte schnell. Tony ließ Greg die Sauce Grenobloise für das Hähnchen-Paillard zubereiten, mit brauner Butter und Kapern - damit hatte der Abend auch »Etwas Französisches«. Und Tonys Lieblingskellnerinnen standen bereit, eine alleinerziehende Mutter samt ihrer Tochter, einer

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