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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Hunden gebissen worden war, gehörte Barrett zu den Tierfreunden, die immer für den Hund Partei ergriffen. (Es gab keine »bösen« Hunde, nur böse Hundebesitzer; die Vermonter Polizei sollte
nie
einen Hund erschießen; wenn Danny nicht mit den abgesägten Squashschlägern herumlief, würden ihn die Hunde vielleicht gar nicht attackieren, und so weiter.) Doch der Koch wusste, dass sein Sohn beim Laufen die Squashschlägergriffe nur mitnahm,
weil
er gebissen worden war, als er sie nicht dabeihatte. Zweimal musste er genäht werden, aber nur einmal kriegte er die Spritze gegen Tollwut.
    Tony Angel war froh, dass sein Sohn ohne Barrett zum Essen kam. Den Koch irritierte, dass Daniel
überhaupt
mit einer Frau geschlafen hatte, die fast so alt wie sein eigener
Vater
war! Doch dass Barrett ihr Englischsein so betonte und glaubte, es gäbe keine bösen Hunde, irritierte Tony noch mehr. Na ja, musste man von einer
Pferdenärrin
nicht erwarten, dass sie eine unkritische Liebe zu Hunden hegte?, fragte sich der Koch.
    Für seine Pizzas benutzte Tony Angel einen alten irischen Stanley-Holzbackofen. Er wusste, wie man die Ofentemperatur konstant auf 315 Grad Celsius hielt, ohne dass es im Rest der Küche zu heiß wurde, hatte aber zwei Jahre gebraucht, um dahinterzukommen. Als er gerade Holz nachlegen wollte, hörte er, wie Loretta die Restauranttür öffnete und die ersten Gäste in den Speiseraum ließ.
    »Es gab noch einen Anruf«, sagte Greg dem Koch.
    Tony hoffte, dass Daniel sich doch dafür entschieden hatte, zum Essen ins Avellino zu kommen, jedoch dagegen, Barrett mitzubringen. Aber die andere Nachricht war von Ketchum.
    Der alte Holzfäller hatte Greg in einem fort von der wundersamen Erfindung namens Faxgerät vorgeschwärmt. Weiß Gott, wann Faxgeräte erfunden worden waren, dachte der Koch, aber er hörte heute nicht zum ersten Mal, dass Ketchum eins haben wollte. Danny hatte in New York, in der Herstellungsabteilung seines Verlags, ein primitives Faxgerät in Aktion erlebt. Laut Daniel, erinnerte sich sein Vater, war es ein klobiger Apparat, der schmierige Papierfetzen mit kaum lesbarer Schrift ausspuckte, doch das schreckte Ketchum nicht. Der Exanalphabet wollte, dass Danny und sein Dad sich Faxgeräte zulegten; danach wollte Ketchum sich eins besorgen, und sie könnten ruck, zuck Kontakt zueinander aufnehmen.
    Herr im Himmel, dachte der Koch, eine wahre Faxflut wird über mich hereinbrechen, ich werde
stapelweise
Papier kaufen müssen. Und es wird keine friedlichen Morgen mehr geben. Er genoss seinen Morgenkaffee und seinen Lieblingsblick auf den Connecticut River. (Wie der Koch war Ketchum Frühaufsteher.)
    Tony Angel hatte Ketchums Behausung in Errol nie gesehen, stellte sich aber etwas Wanigan-Artiges vor - einen Trailer vielleicht oder auch mehrere Trailer. Möglicherweise ehemalige Wohnwagen, die nicht mehr fuhren - oder ein VW-Bus ohne Räder, mit einem Bollerofen drin. Unvorstellbar, dass Ketchum (mit
66
Jahren) erst kürzlich lesen gelernt hatte, aber jetzt ein Faxgerät haben wollte. Vor nicht allzu langer Zeit hatte er nicht einmal ein
Telefon
besessen!
     
    Der Koch wusste, warum er geweint hatte; seine »Erinnerungen« hatten nichts damit zu tun. Sobald Tony Angel die Idee gekommen war, mit seinem Sohn die Chengs in ihrem Restaurant in Connecticut zu besuchen, wurde ihm klar, dass Daniel das nie tun würde. Der Schriftsteller war ein Arbeitstier. Wie der Koch es sah, hatte eine Art Logorrhöe von seinem Sohn Besitz ergriffen. Tony hatte nichts dagegen, dass Daniel zum Essen allein ins Avellino kam, doch dass sein Sohn allein
war
(und es wahrscheinlich bleiben würde), brachte den Koch zum Weinen. Um seinen Enkel Joe machte er sich Sorgen - weil jeder Achtzehnjährige Glück brauchte, um all den naheliegenden Gefahren zu entgehen. Doch dass sein Sohn Daniel ihm wie eine unendlich einsame, schwermütige Seele vorkam, tat dem Koch im Herzen weh. Er ist sogar noch einsamer und schwermütiger als
ich!,
dachte Tony Angel.
    »Tisch für vier«, sagte Loretta zu Greg. Und zum Koch: »Eine Pizza mit Pilzen, eine mit Salami.«
    Celeste kam in die Küche. »Danny ist da, allein«, informierte sie Tony.
    »Einmal Calamari mit Penne«, fuhr Loretta fort. Bei Hochbetrieb lieferte sie den beiden Köchen ihre Bestellungen schriftlich ab, aber wenn das Avellino fast leer war, genoss Loretta offenbar die lautstarke Darbietung.
    »Der Vierertisch will keine Vorspeisen?«, fragte Greg.
    »Alle wollen den Rucolasalat mit

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