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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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College-Studentin. Celeste, die Mutter, arbeitete schon seit 1976 für den Koch, und die Tochter, Loretta, war reifer als die Highschool-Kids aus Brattleboro, die er sonst als Kellnerinnen, Hilfskellner und Tellerwäscher anstellte.
    Loretta war älter als die meisten College-Studentinnen; in ihrem letzten Jahr auf der Highschool hatte sie ein Kind bekommen. Loretta war nicht verheiratet und hatte das Kind im Haus ihrer Mutter großgezogen, bis der kleine Junge so alt war (etwa vier oder fünf), dass er Celeste nicht mehr in den Wahnsinn trieb. Dann hatte sich Loretta in einem Community-College in der Gegend eingeschrieben - das Pendeln war für sie etwas schwierig, aber sie hatte alle Kurse auf Dienstag, Mittwoch und Donnerstag gelegt. Von Donnerstagabend bis zum folgenden Dienstagmorgen war sie immer zu Hause in Brattleboro, wo sie nach wie vor mit ihrer Mom und ihrem Söhnchen wohnte.
    Seit der Koch mit Celeste schlief - erst seit einem guten Jahr, fast anderthalb -, war er mit diesem Arrangement sehr zufrieden. Tony Angel verbrachte nur zwei Nächte in der Woche bei Celeste und ihrem Enkel, der inzwischen in die erste Klasse ging, und an dem einen Abend, dem Mittwoch, blieb das Restaurant geschlossen. Wenn Loretta nach Brattleboro zurückkam, zog der Koch wieder in seine Wohnung. Im letzten Sommer war es schwieriger gewesen, da war Celeste drei, vier Nächte am Stück oder sogar länger in Tonys kleiner Wohnung über dem Avellino geblieben. Sie war ein Rotschopf mit ganz bezaubernden Sommersprossen auf der Brust und recht drall, wenn auch beileibe nicht so korpulent wie Indianer-Jane oder Carmella. Mit fünfzig lag Celeste im Alter genau zwischen dem Koch und dessen Sohn Danny.
    In der Küche gab es zwischen ihnen keinen Austausch von Zärtlichkeiten - darauf legten sie beide Wert -, aber das gesamte Personal des Avellino (und natürlich auch Loretta) wusste, dass Tony Angel und Celeste ein Paar waren. Die ehemaligen Freundinnen des Kochs, die er in The Book Cellar kennengelernt hatte, waren mittlerweile weggezogen oder verheiratet. Tonys alter Scherz blieb nun ohne Folgen: Wenn der Koch die Buchhändlerin fragte, ob sie Frauen kenne, die sie ihm vorstellen könne, war dieser Scherz
harmlos.
(Sie tat es nicht oder sie
wollte
es nicht tun, nicht solange er mit Celeste zusammen war. Brattleboro war eine Kleinstadt, und Celeste war dort beliebt.)
    In Iowa war es leichter gewesen, Frauen kennenzulernen, dachte Tony Angel. Zugegeben, er war jetzt älter, und verglichen mit Iowa City, wo Danny seinen Dad zu allen Partys des Autorenworkshops eingeladen hatte, war Brattleboro eine
sehr
kleine Stadt; diese Schriftstellerinnen wussten, wie man sich amüsierte.
    Danny hatte seine Workshopstudenten häufig ins Mao's eingeladen - nicht zuletzt zum chinesischen Neujahrsfest, das immer im Januar oder Februar gefeiert wurde; Ah Gou bot dann an drei Abenden nacheinander ein 10-Gänge-Menü zum Pauschalpreis an. Kurz vor dem chinesischen Neujahrsfest 1973 - es war das Jahr des Ochsen, wie dem Koch einfiel - war Xiao Dees Lkw in Pennsylvania kaputtgegangen, und Tony Angel und Kleiner Bruder hätten es um ein Haar nicht rechtzeitig mit den Lebensmitteln zurück nach Iowa City geschafft.
    1974 - im Jahr des Tigers, erinnerte sich Tony - hatte Xiao Dee Spicy überredet, sie nach Iowa City zu begleiten, die ganze Strecke aus New York City. Zum Glück war Spicy klein, dennoch wurde es im Fahrerhaus des Trucks eng, und irgendwo in Indiana oder Illinois kam Spicy dahinter, dass Xiao Dee etwas mit einer Frau in Bethpage hatte - »diese Nassau-County-Fotze«, wie Spicy sie nannte. Während der restlichen Fahrt hatte sich der Koch die Streitereien zwischen ihr und Xiao Dee anhören müssen.
    Die Erinnerungen an Iowa City und Mao's hatten Tony Angel irgendwie darauf gebracht, dass es dem Avellino an
Anspruch
fehlte, doch dem Koch gefiel an seinem Restaurant in Brattleboro, dass es relativ leicht zu führen war. Für echte Chefköche wie Ah Gou Cheng, Tony Molinari oder Paul Polcari mochte das Avellino anspruchslos sein, doch der - inzwischen neunundfünfzigjährige - Koch versuchte gar nicht erst, mit ihnen zu konkurrieren.
    Traurig war, dass Tony Angel seine alten Freunde und Mentoren nicht nach Vermont zu einem Essen im Avellino einladen mochte. Der Koch fand, dass sein Restaurant dieser Spitzenköche nicht würdig war, die ihm so viel beigebracht hatten - - obwohl sie wahrscheinlich gerührt gewesen wären oder sich geschmeichelt gefühlt

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