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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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gespielt wurde
Surrealistic Pillow,
das Album von Jefferson Airplane aus dem Jahr 1967.
    Als Tony Angel merkte, dass Grace Slick gerade
Somebody to Love
sang, wandte er sich mit ungewohnter Schärfe an seinen Sous-Chef.
    »Zeit für das Baseballspiel, Greg.«
    »Lass mich nur noch -«, begann der Sous-Chef, doch Tony wechselte abrupt den Sender. (Alle hatten seine ungeduldige Stimme gehört und gesehen, wie wütend er die Hand nach dem Radio ausstreckte.)
    Der Koch brachte nicht mehr über die Lippen als: »Ich mag diesen Song nicht.«
    Achselzuckend sagte Celeste zu den anderen: »Erinnerungen, nehme ich an.«
    Nur eine dünne Wand und zwei schwingende Türflügel weiter befanden sich noch zwei alte
Erinnerungen.
Leider würde der Koch Dot und May nicht so leicht loswerden wie den Song im Radio.
     

9  - Die unvorhersehbare Natur der Dinge
    Dort draußen am Boulevard von Coralville, in Sichtweite von Mao's, hatte es die Pizzeria The Greek's gegeben; Kalamata-Oliven und Fetakäse durften auf keiner Pizza fehlen. (Wie hatte es Dannys Dad damals formuliert: »Schmeckt nicht übel, ist aber keine Pizza.«) In der Innenstadt von Iowa City gab es einen pseudoirischen Pub, der sich O'Rourke's nannte - Poolbillardtische, grünes Bier am St. Patrick's Day, mit Bratwurst oder Fleischklößchen belegte Sandwiches. In Dannys Augen war O'Rourke's ausschließlich ein Treffpunkt für Studenten, eine wenig überzeugende Kopie der Bostoner Pubs südlich des Haymarket, in der Nähe der Hanover Street. Der älteste dieser Pubs war das Union Oyster House, wo Muscheln serviert wurden und das eines Tages gegenüber einer Holocaust-Gedächtnisstätte stehen würde; aber es gab auch noch die Bell in Hand Tavern an der Ecke Union und Marshall Street - eine Bar, in der sich der minderjährige Daniel Baciagalupo und seine älteren Cousins aus den Familien Saetta und Calogero mit Bier betrunken hatten.
    Diese Kneipen waren zu nahe am North End, um der Aufmerksamkeit des Kochs zu entgehen. Eines Tages war er Daniel und seinen Cousins bis zum Bell in Hand gefolgt. Als der Koch seinen Sohn Bier trinken sah, hatte er den Jungen am Ohr aus der Bar gezerrt.
    Als der Schriftsteller Danny Angel im Avellino saß, in sein Notizbuch schrieb - und darauf wartete, dass ihn sein Dad, der Koch, überraschte -, wünschte er, diese Demütigung im Bell in Hand, noch dazu vor seinen älteren Cousins, hätte dafür ausgereicht, ihm das Trinken abzugewöhnen, noch ehe er richtig damit begonnen hatte. Doch um damit aufzuhören, hätte es eines größeren Schrecks samt Demütigung bedurft als jenes Vorfalls in einer Bostoner Kneipe. Der kam dann auch, aber erst, als Danny schon Vater war. (»Wenn das Vatersein dich nicht Verantwortung lehrt«, hatte der Koch einmal zu seinem Sohn gesagt, »dann ist bei dir Hopfen und Malz verloren.«)
    Hatte Danny
wie ein Vater
gedacht, als er auf der Schreibmaschine eine Nachricht an den Hippietischler aufsetzte und dann auf der Nebenstraße in Richtung Westminster West gefahren war, um den Zettel in den Briefkasten des Hundebesitzerarschlochs zu stecken, ehe er weiter nach Brattleboro und zu seinem Überraschungsessen im Avellino fuhr? Hätte der Schriftsteller gewollt, dass sein Sohn Joe so etwas tat, wenn der sich in eine ähnliche Fehde verstrickt hätte?
    »Es tut mir wirklich leid, dass Ihr Hund tot ist«, hatte Danny getippt. »Ich war wütend. Sie übernehmen keine Verantwortung für Ihre Hunde, und Sie sehen nicht ein, dass eine öffentliche Straße nicht Ihr privater Hundeauslauf ist. Doch ich hätte mich besser beherrschen müssen. Ich werde von nun an woanders laufen. Sie haben einen Hund verloren, ich meine Lieblingslaufstrecke. Irgendwann muss Schluss sein, okay?«
    Es war ein schlichtes Blatt Schreibmaschinenpapier. Seinen Namen hatte der Schriftsteller nicht daruntergesetzt. Falls Armando recht hatte - und das Arschloch ein
Schriftstellertischler
und/oder einer von Dannys ehemaligen Studenten aus Windham war -, wusste er natürlich längst, dass der Jogger mit den Squashschlägergriffen der Schriftsteller Danny Angel war. Doch Danny sah keinen Grund, das an die große Glocke zu hängen. Er steckte das Blatt auch nicht in einen Umschlag, sondern faltete es nur doppelt und warf es dort, wo die von Schrottautos gesäumte Einfahrt in die Straße mündete, in den Briefkasten des Hundebesitzers.
    Als Danny jetzt im Avellino saß und schrieb, wusste er, was Armando sagen würde: »Mit Arschlöchern schließt man keinen

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