Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
Dot May.
    »Honig!«, antwortete May, und beide gackerten los. »Aber er hat sich dagegen entschieden«, erinnerte sich May.
    »Ich frage mich, was seine geheime Zutat war«, sagte Dot.
    »Vielleicht hatte er gar keine«, meinte May achselzuckend. Vor dem großen Panoramafenster des Avellino waren sie stehen geblieben, und May mühte sich ab, den Namen des Restaurants auszusprechen.
    »Klingt jedenfalls echt italienisch«, befand Dot. Die beiden Frauen lasen die Speisekarte im Fenster. »Zwei verschiedene Pizzas«, stellte Dot fest.
    »Ich bleib bei der Salami«, verkündete May. »Du kannst dich ruhig an den Pilzen vergiften.«
    »Cookies Pizzakruste war richtig dünn, man konnte also viel mehr Pizza essen und war doch nicht pappsatt«, erinnerte sich Dot.
    Im Restaurant beendete eine vierköpfige Familie gerade ihr Essen. Dot und May sahen, dass beide Kinder Pizza bestellt hatten. Ein gutaussehender, etwa vierzigjähriger Mann saß allein an einem Tisch neben der Schwingtür zur Küche. Er schrieb etwas in ein Notizbuch - so ein kleines Notizbuch, wie es Studenten benutzten. Natürlich erkannten die beiden alten Frauen Danny nicht. Das letzte Mal hatten sie ihn mit zwölf gesehen, und jetzt war er ein ganzes Jahrzehnt älter als sein Vater damals, als Dot und May den Koch zuletzt gesehen hatten.
    Als die beiden alten Frauen das Restaurant betraten, hatte Danny aufgeschaut, sich aber rasch wieder seinen Aufzeichnungen gewidmet. Womöglich erinnerte er sich nicht einmal, wie Dot und May 1954 ausgesehen hatten; 29 Jahre später hatte Danny nicht die geringste Ahnung, wer diese alten Zimtzicken waren.
    »Nur Sie beide, meine Damen?«, fragte Celeste die zwei. (Dot und May amüsierte es immer, wenn jemand sie für »Damen« hielt.)
    Sie bekamen einen Fenstertisch, unter dem alten Schwarzweißfoto eines Holzstaus in Brattleboro, der längst Geschichte war. »Früher wurden auf dem Connecticut Stämme geflößt«, sagte Dot zu May.
    »Seinerzeit wurde hier bestimmt eine Menge verarbeitet und produziert«, kommentierte May. »Sägewerke, vielleicht Papiermühlen - auch Textilien, schätze ich.«
    »In dieser Stadt gibt es ein Irrenhaus, hab ich gehört«, erzählte Dot ihrer Freundin. Als die Kellnerin kam und ihnen Wasser brachte, fragte Dot sie danach: »Ist die Klapse noch in Betrieb?«
    »Die heißt jetzt
Erholungsheim«,
erklärte Celeste.
    »Das ist ein windelweicher Name für 'ne Klapse!«, sagte May. Sie und Dot gackerten wieder, während Celeste die Speisekarten holen ging. (Sie hatte vergessen, den alten Scharteken mit dem Wasser Speisekarten mitzubringen. Dass der Koch geweint hatte, ließ Celeste keine Ruhe.)
    Ein junges Paar kam herein, und Dot und May beobachteten, wie eine jüngere Kellnerin - Celestes Tochter Loretta - die beiden zu ihrem Tisch führte. Als Celeste mit den Speisekarten wiederkam, sagte Dot: »Wir nehmen beide die Pizza mit Salami.«
    »Eine pro Person, oder teilen Sie sich eine?«, fragte Celeste. (Ein Blick auf die zwei verriet ihr die Antwort.) »Eine
pro Person«,
sagte May.
    »Möchten Sie einen Salat oder eine Vorspeise?«, fragte Celeste die alten Frauen.
    »Nö. Ich lass noch Platz für den Apfelkuchen«, antwortete May.
    Dot sagte: »Bei mir läuft es vermutlich auf den Blueberry Cobbler hinaus.«
    Beide bestellten Coca-Cola - »
die echte«,
wie May gegenüber Celeste betonte. Für die bevorstehende Fahrt, von der Unmenge an Kindern und Enkelkindern ganz zu schweigen, wollten Dot und May möglichst viel Koffein und Zucker intus haben.
    »Ganz ehrlich«, sagte May zu Dot, »wenn meine Kinder und Enkel dauernd
noch mehr
Kinder kriegen, kannste mich in das sogenannte Erholungsheim einweisen.«
    »Ich komm dich dann besuchen«, versprach ihre Freundin. »Falls die Pizza schmeckt«, ergänzte sie.
    In der Küche des Avellino hatte der Koch die alten Frauen vielleicht gackern hören. »Zweimal Salamipizza«, teilte ihm Celeste mit.
»Wahrscheinlich
zwei Interessentinnen für Kuchen und Cobbler.«
    »Wer ist das?«, wollte der Koch von ihr wissen. Normalerweise war er nicht so neugierig. »Einheimische?«
    »Zwei alte Zimtzicken, wenn du mich fragst - egal, ob von hier oder auswärts«, sagte Celeste.
    Jeden Moment würde nun im Radio das Spiel der Red Sox übertragen werden. Boston spielte zwar zu Hause im Fenway Park, doch Greg hörte sich auf einem anderen Sender irgendeinen sentimentalen Quark an, der sich
The Oldie-But-Goldie Hour
nannte. Der Koch hatte nicht richtig zugehört, doch

Weitere Kostenlose Bücher