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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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geschieht dir recht, nicht wahr, Hero?«, fragte Ketchum den Hund. »Ich hab's dir ja gesagt - du warst zu weit vor mir! Dieser Trottelhund hat den Bären gestellt, als ich noch nicht in Schussweite war!«, erklärte Ketchum Carmella.
    Mehr als »Das arme Tier« brachte sie nicht heraus.
    »Oh, das wird schon wieder - ich gebe ihm einfach von dem Bärenfleisch zu fressen!«, meinte Ketchum. »Wir sollten los«, sagte er zu Danny und nahm die Remington .30-06 Springfield von der Wand; er legte den Karabiner über einen Unterarm und ging in Richtung Wanigantür. »Komm, Hero«, rief er dem Hund zu, der sich von seinem Hundebett aufrappelte und hinter ihm herhumpelte.
    »Wozu die Waffe? Wie's aussieht, hast du deinen Bären schon«, sagte Danny.
    »Wirst du schon sehen«, sagte Ketchum nur.
    »Sie werden doch nichts schießen, oder, Mr. Ketchum?«, fragte ihn Carmella.
    »Nur wenn da ein Viech ist, das geschossen werden muss«, antwortete Ketchum. Dann wechselte er das Thema und sagte zu Danny: »Vermutlich hast du noch nie einen kopflosen gehäuteten Bären gesehen. In diesem Zustand gleicht ein Bär einem Menschen. Kein Anblick für
Sie,
schätze ich«, fügte er, an Carmella gewandt, rasch hinzu.
    »Bleib!«, sagte Ketchum plötzlich zu Hero, und der Hund blieb neben Carmella stehen, die genauso abrupt anhielt.
    Wie eine riesige Fledermaus hing der gehäutete Bär in der Räucherkammer über der qualmenden Feuerstelle. Ohne Kopf sah der Bär wirklich wie ein Mensch aus - nicht, dass der Schriftsteller je einen gehäuteten Menschen gesehen hätte. »Verschlägt einem irgendwie den Atem, nicht wahr?«, sagte Ketchum zu dem sprachlosen Danny.
    Als Ketchum und Danny aus der Räucherkammer kamen, standen Carmella und der Jagdhund wie angewurzelt an genau derselben Stelle, wo die anderen beiden sie zurückgelassen hatten, als könnte nur ein heftiger Wetterumschwung die Frau und den Hund dazu bewegen, ihren Standort zu überdenken. »Na komm, Hero«, sagte Ketchum, und brav folgte Carmella dem Jagdhund zu dem Pick-up, als hätte der alte Flößer auch mit ihr gesprochen. Ketchum hob Hero auf die Ladefläche des Trucks.
    »Du musst es Sixpack nachsehen, Danny«, sagte Ketchum, als sie in das Fahrerhaus seines Pick-ups stiegen, wo Carmella in der Mitte mehr als ihren Anteil Platz einnahm. »Pam möchte euch beiden etwas sagen«, fuhr Ketchum fort. »Sixpack ist kein
schlechter
Mensch und will vermutlich nur sagen, dass es ihr leid tut. Es war ja mein Fehler, dass ich nicht lesen konnte, wie ihr wisst. Ich habe Pam nie vorgeworfen, dass sie Carl erzählt hat, was wirklich mit Indianer-Jane geschehen ist. Es war das Einzige, was sie gegen den Cowboy in der Hand hatte, und er hat sie dazu gebracht, dass sie es benutzte.«
    »Ich habe Sixpack auch nie einen Vorwurf gemacht«, sagte Danny. Er versuchte, Carmellas Miene zu deuten, die leicht beleidigt wirkte. In dem Fahrerhaus stank es; vielleicht hatte der Gestank Carmella beleidigt.
    »Es dauert ohnehin nicht sehr lange - Sixpack muss sich um Hero kümmern«, meinte Ketchum. »Hero erträgt Pams Hunde schon kaum, wenn er
nicht
so übel zugerichtet ist. Könnte ein interessanter Morgen werden.« Sie verließen die Straße, an der für die Reparatur von Kleinmotoren geworben wurde, doch Danny bezweifelte, dass Ketchum das Schild aufgestellt oder jemals die Kleinmotoren anderer Leute repariert hatte; vielleicht flickte er nur seine eigenen Maschinen, doch Danny fragte nicht. Der Gestank war penetrant; er musste von dem Bären stammen, aber warum war der Bär im Fahrerhaus gewesen?
    »Wir haben jemanden getroffen, der dich kennt - einen Verkäufer bei L. L. Cote«, sagte Danny zu Ketchum.
    »Ach ja? War das ein netter Kerl, oder darf ich annehmen, dass ihr dem einen Arsch begegnet seid, der da arbeitet?«
    »Ich glaube, genau den haben wir getroffen, Mr. Ketchum«, sagte Carmella. Der grässliche Gestank ließ nicht nach; zweifellos war der Bär im Fahrerhaus gewesen.
    »Dicker Kerl, hat dauernd Tarnklamotten an - dieses Arschloch?«, fragte Ketchum.
    »Genau der«, bestätigte Danny. Von dem Bärengestank wurde ihm speiübel. »Anscheinend hält er dich für einen Halbindianer.«
    »Tja, ich hab keine Ahnung, was ich bin - oder jedenfalls, was meine fehlende Hälfte ist!«, donnerte Ketchum. »Ist mir recht, wenn ich Halbindianer bin - oder meinetwegen auch Dreiviertelrothaut! Die Indianer sind hier eine
Lost Nation,
ein untergegangenes Volk, was mir auch recht ist!«
    »Der

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