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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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hartnäckig, stand Lady Sky nicht immer als Engel zur Verfügung - jedenfalls
nicht
in jener verschneiten Nacht, als Joe und das wilde Blowjob-Girl bei ihrer Fahrt über den Berthoud-Pass dem blauen Mustang begegneten.
    »Ich würde dich gern wiedersehen, Amy«, sagte Danny Angel in seinem unruhigen Schlaf laut, doch niemand hörte ihn im Dunkeln - nur die Asche seines Vaters. In dem Drama, das in jener Nacht in dem Hotelzimmer aufgeführt wurde, war für die Asche des Kochs - die in der Dose mit Arnos' New York Steak Spiee ruhte - offenbar nur eine stumme Rolle vorgesehen.
     
    Danny schreckte aus dem Schlaf auf; das frühmorgendliche Licht erschien ihm zu hell. Er dachte, er sei für das Treffen mit Ketchum schon spät dran, doch da irrte er sich. Danny rief Carmella in ihrem Hotelzimmer an. Er war überrascht, wie hellwach sie klang, als hätte sie seinen Anruf erwartet. »Die Badewanne ist viel zu klein, Secondo, aber irgendwie ging es doch«, sagte Carmella. Als er zum Frühstücken nach unten kam, wartete sie in dem riesigen und fast leeren Speisesaal auf ihn.
    Ketchum hatte recht gehabt, als er vorschlug, sie sollten im September kommen; dem Nordosten der Vereinigten Staaten stand ein Bilderbuchtag bevor. Schon als Danny und Carmella so früh am Morgen The Balsams verließen, strahlte die Sonne, und der Himmel war von einem leuchtenden und wolkenlosen Blau. Ein paar abgefallene Ahornblätter hinterließen auf der Akers Pond Road rote und gelbe Tupfer. Danny und Carmella hatten im Hotel mitgeteilt, dass sie noch eine zweite Nacht in Dixville Notch bleiben würden. »Vielleicht leistet uns Mr. Ketchum heute zum Abendessen Gesellschaff«, sagte Carmella im Auto zu Danny.
    »Vielleicht«, antwortete Danny; er bezweifelte, dass Ketchum sich in The Balsams wohl fühlen würde. Das Hotel wirkte überdimensioniert, auf Tagungen ausgerichtet; Ketchum war kein Tagungsmensch.
    Rasch kamen sie zu dem Schild mit der Aufschrift Reparatur von Kleinmotoren und einem Pfeil, der in eine unauffällige Schotterstraße zeigte. »Ihr findet mich am Ende der Straße.« Mehr hatte Ketchum Danny nicht gesagt, allerdings zeigte kein Verkehrsschild an, dass es sich um eine Sackgasse handelte. Als Nächstes kam das Schild mit der Warnung (in derselben ordentlichen Schrift) Vorsicht vor dem hund. Doch da waren weder Hund noch Haus oder Autos. Vielleicht sollte das Schild sie auf eine Möglichkeit vorbereiten - dass sie nämlich mit großer Sicherheit auf einen Hund träfen, falls sie der Straße folgten, doch dann wäre es für eine Warnung zu spät.
    »Ich glaube, ich kenne den Hund«, sagte Danny, um Carmella zu beruhigen. »Er heißt Hero und ist eigentlich kein bissiger Hund, das wäre mir sonst aufgefallen.«
    Die Straße ging weiter und wurde schmaler, bis sie so schmal wurde, dass man nicht mehr wenden konnte. Vielleicht ist es doch die falsche Straße, dachte Danny. Vielleicht gab es doch noch eine Lost Nation Road, und der verrückte alte Verkäufer in dem Sportgeschäft hatte sie absichtlich falsch informiert; jedenfalls mochte er Ketchum eindeutig nicht, doch der alte Holzfäller war für viele Leute, selbst für völlig normal wirkende Menschen, schon immer ein rotes Tuch gewesen.
    »Sieht aus, als ginge es da vorn nicht mehr weiter«, sagte Carmella und stemmte die dicken Hände auf das Armaturenbrett, als wolle sie einen bevorstehenden Aufprall abmildern. Doch der Weg endete auf einer Lichtung, die eher einer Müllkippe glich - vielleicht war es aber auch ein Friedhof für herrenlose Pick-ups und Wohnwagen. Viele der Pick-ups waren zerlegt und ausgeschlachtet worden. Überall auf dem Gelände verteilt standen diverse Schuppen und Baracken. Eine davon war eine Blockhütte, die offenbar als Räucherkammer diente; aus den Ritzen drang so viel Qualm, dass die ganze Bude aussah, als würde sie jeden Moment in Flammen aufgehen. Eine kleinere, weniger diffuse Rauchsäule stieg aus dem Ofenrohr eines Wohnwagens auf - ein ehemaliger Wanigan, wie Danny erkannte. Wahrscheinlich stand in dem Wanigan ein Holzofen.
    Danny machte den Motor aus und horchte nach dem Hund. (Er hatte vergessen, dass Hero nicht bellte.) Carmella kurbelte das Seitenfenster herunter. »Anscheinend brät Mr. Ketchum etwas«, sagte sie schnuppernd. Da auf einer Wäscheleine zwischen zwei Wohnwagen ein straff gespanntes Bärenfell hing, nahm Danny an, dass der enthäutete Bär in der Räucherkammer war - von »Braten« konnte also keine Rede sein.
    »Ich kenne

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