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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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half, jemandem auf den Rücken zu klopfen. Auch Ketchums ureigenes Verfahren, nämlich die Erstickenden mit dem Kopf nach unten zu halten und sie heftig zu schütteln, ging manchmal schief.
    Doch einmal hatte Ketchum improvisieren müssen, und Dominic war Zeuge des erstaunlichen Erfolgs gewesen. Ein betrunkener Holzfäller war zu rauflustig und zu schwer gewesen, als dass Ketchum ihn hätte verkehrt herum halten und schütteln können. Mehrmals ließ Ketchum den Mann fallen, der nicht nur dem Erstickungstod nahe war, sondern auch noch versuchte, Ketchum umzubringen.
    Ketchum schlug den Tobenden wiederholt in die Magengegend, immer mit Aufwärtshaken. Nach dem vierten oder fünften Uppercut hustete der Mann ein großes, ungekautes Stück Lammfleisch aus, das ihm versehentlich in die Luftröhre gelangt war.
    Im Laufe der Jahre hatte der Koch Ketchums Methode für seine geringere Körpergröße und weniger gewalttätige Natur angepasst. Dominic wich den hektisch herumfuchtelnden Armen des Erstickenden aus und nahm hinter ihm Aufstellung. Dann packte er das Opfer um den Oberbauch und drückte mit verschränkten Armen, direkt unter dem Brustkorb, abrupt nach oben. Das hatte jedes Mal funktioniert.
    Als Dot in der Küche anfing, wie wild um sich zu schlagen, stellte sich Dominic rasch hinter sie. »O mein Gott, Cookie -
rette
sie!«, rief May. Die Kinder-Enkel-Krise war vorübergehend nebensächlich geworden, wenn nicht völlig vergessen.
    Dominic presste seine Nase gegen Dots warmen, verschwitzten Nacken, und als er die Arme um sie schlang, gelang es ihm kaum, die Hände zu verschränken. Ihre Brüste waren so groß und hingen so tief, dass Dominic sie anheben musste, um zu ertasten, wo Dots Brustkorb endete und ihr Oberbauch anfing. Doch in dem kurzen Moment, als er ihre Brüste hielt, packte Dot seine Hände und rammte ihm ihren Hintern in den Magen. Sie lachte überdreht, denn sie hatte gar keinen Erstickungsanfall. Die verrückte May und die übrigen Küchenhilfen stimmten in ihr Gelächter ein. »O Cookie ... woher wusstest du, wie ich's mag?«, stöhnte Dot.
    »Ich hab mir immer schon gedacht, Cookie ist so einer, der's von hinten macht«, stellte May sachlich fest.
    »Ach, du
schlimmer Finger,
du!«, rief Dot und rieb ihr Hinterteil an dem Koch. »Ich liebe es, wie du immer >Achtung, hinter dir!< sagst!«
    Endlich kriegte Dominic seine Hände von ihren Brüsten los und wich zurück.
    »Vermutlich sind wir ihm nicht
dick
genug, Dot«, sagte May betrübt. Ein unangenehmer Unterton hatte sich in ihre Stimme geschlichen. Dem Koch entging er nicht. Jetzt muss ich für meine Kinder-Enkel-Bemerkung bezahlen, dachte Dominic. »Oder wir sind ihm nicht
indianisch
genug«, fügte May hinzu.
    Der Koch würdigte sie keines Blickes; auch die anderen Küchenhilfen hatten sich von ihr abgewandt, sogar Dot. Trotzig drückte May das Lammhaschee mit dem Bratenwender flach auf das Backblech. Dominic griff um sie herum und schaltete den Backofen aus. Als er hinter ihr vorbeiging, berührte er mit seinen Fingern ihr Kreuz. »Dann wollen wir mal zusammenpacken, Ladys«, sagte er, fast so, wie er es sonst auch sagte. »Du und May, ihr könnt das Essen für die Flößer mitnehmen«, sagte der Koch zu Dot. »Wir anderen fahren die Abfuhrstraße runter, bis wir die Holzarbeiter finden.« Er sprach weder direkt zu May, noch sah er sie an.
    »Dot und ich müssen also alles zu Fuß machen?«, fragte May.
    »Du solltest mehr zu Fuß gehen«, sagte Dominic, noch immer ohne sie anzusehen. »Das wird dir guttun.«
    »Tja, ich hab die verdammten Sandwiches gemacht - dann trag ich sie wohl auch«, sagte Dot.
    »Nimm auch das Lammhaschee mit«, befahl der Koch.
    Jemand fragte, ob unter den Flößern nicht auch ein paar »ultrakatholische« Frankokanadier seien; vielleicht sollten Dot und May auch etwas Kichererbsensuppe zum Fluss mitnehmen.
    »Ich schleppe keine
Suppe
auf dem Rücken«, sagte May.
    »Die Makrelenfresser können ja den Schinkenspeck aus den Sandwiches rausnehmen«, schlug Dot vor.
    »Ich glaube, unter den Flößern sind keine Makrelenfresser«, sagte Dominic. »Die Kichererbsensuppe und den Wildeintopf bringen wir den Arbeitern an der Holzabfuhrstraße. Falls am Fluss irgendwelche Katholiken wütend werden, sagt denen, ich war schuld.«
    »Keine Sorge, ich sag ihnen schon, dass du schuld bist«, brummte May. Sie wandte die Augen nicht von ihm, doch er würdigte sie keines Blickes. Als ihre Wege sich trennten, sagte May: »Ich bin zu

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