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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Arbeit gefahren war. Es gab nur gelegentlich Stress - hauptsächlich wenn Jane zu früh nach Hause kam. Doch sogar ein tumber Säufer wie der Constable würde irgendwann dahinterkommen. Oder eine der Küchenhilfen würde ihrem Mann etwas erzählen; unter den Sägewerksarbeitern waren der Koch und Indianer-Jane nicht unbedingt so beliebt wie bei den Flößern und den anderen Holzarbeitern.
    »Ich verstehe, was du meinst«, sagte der Koch zu Ketchum.
    »Verdammt, Cookie. Weiß eigentlich
Danny
das mit dir und Jane?«
    »Ich wollte es ihm erzählen«, antwortete Dominic.
    »Wollte«,
wiederholte Ketchum hämisch. »Ist das, wie wenn du sagst, du
wolltest
ein Kondom überziehen, oder heißt das, du hast eins übergezogen?«
    »Ich verstehe, was du meinst«, wiederholte der Koch.
    »Sonntagmorgen, neun Uhr«, sagte Ketchum zu ihm. Dominic konnte daraus nur schließen, dass Ketchums Rendezvous zwei Nächte dauern würde ... wohl doch eher ein
Gelage
oder eine
Sauforgie.
    Wenn es in Twisted River Abende gab, die der Koch am liebsten vor seinem Sohn verheimlicht hätte, dann wären es die Samstagabende gewesen. In dem Ort, dessen Existenzgrundlage in unmittelbarer Nähe zu dem reißenden Fluss immer prekär blieb, nahm dann das Herumhuren und exzessive Saufen überhand - zumal bei den Menschen, die ihren Lebensunterhalt unter großen Gefahren verdienten und es schlicht für ihr Recht hielten, an Samstagabenden über die Stränge zu schlagen.
    Dominic Baciagalupo, ein Abstinenzler und zudem ein Witwer, der
nicht
die Angewohnheit hatte, herumzuhuren, hatte für die diversen selbstzerstörerischen Aktivitäten, deren Zeuge er an einem durchschnittlichen Samstagabend wurde, dennoch ein gewisses Verständnis. Ketchums Verhalten verurteilte der Koch vielleicht mit deutlicheren Worten, als er je gegenüber den anderen Flegeln und Schlawinern in Twisted River verwendet hätte. Weil Ketchum eben kein Narr war, war der Koch womöglich mit Ketchums Ausrutschern weniger nachsichtig, doch für einen intelligenten Zwölfjährigen - und Danny war sowohl aufmerksam als auch intelligent - schien hinter der fortwährenden Enttäuschung seines Vaters über Ketchum mehr als nur Ungeduld zu stecken. Und wenn nicht Indianer-Jane Ketchum gegen die harte Kritik des Kochs verteidigte, dann übernahm das Danny.
    An jenem Samstagabend, als Angels lädierter Leichnam möglicherweise am Dead-Woman-Damm angelangt war und (da Menschen tiefer im Wasser treiben als Baumstämme) vielleicht bereits die Sperre passiert hatte (und nun im oder gegen den Uhrzeigersinn links oder rechts vom Hauptdamm und vom Schleusenüberlauf herumgewirbelt wurde), half Danny Baciagalupo seinem Dad nach dem Abendessen im Kochhaus, die Tische abzuwischen. Die Küchenhilfen waren nach Hause gegangen, so dass es Indianer-Jane überlassen blieb, die letzten Töpfe und Pfannen zu schrubben, während sie auf das Ende des Waschgangs wartete, um dann alle Handtücher und sonstigen Textilien in die Trockner zu stecken.
    Samstags kamen ganze Familien zum Abendessen ins Kochhaus. Einige der Männer waren schon betrunken und stritten sich mit ihren Frauen, und einige der Frauen wiederum ließen ihren Frust an den Kindern aus. Einer der Sägewerksarbeiter hatte in den Toilettenraum gekotzt, und zwei besoffene Holzfäller waren zu spät zum Abendessen erschienen - bestanden aber natürlich darauf, verpflegt zu werden. Die Spaghetti mit Fleischklößchen, die der Koch - wegen der Kinder - samstags abends immer machte, waren hart und fast kalt und genügten Dominic Baciagalupos Qualitätsansprüchen nicht mehr, weshalb er den Männern frische Penne mit ein wenig Ricotta und der obligaten Petersilie zubereitete.
    »Das schmeckt ja saugut!«, hatte einer der Säufer verkündet.
    »Wie nennt man das, Cookie?«, fragte der andere Holzfäller.
    »Prezzemolo«,
antwortete Dominic angeberisch, und die schiere Exotik des Wortes schwappte über die betrunkenen Holzfäller hinweg wie eine weitere Runde Bier. Der Koch ließ die beiden das Wort so lange wiederholen, bis sie es korrekt aussprachen.
    Jane war angewidert. Sie wusste,
prezzemolo
war nur das italienische Wort für Petersilie. »Und das für zwei Besoffene, die schon zu spät auf die
Welt
gekommen sind!«, beschwerte sich Jane.
    »Wenn Ketchum zu spät gekommen wäre, hättest du ihn mit leerem Magen weggeschickt«, warf Danny seinem Vater vor. »Zu Ketchum bist du irre streng.«
    Aber die beiden Betrunkenen hatten ein Spezialabendessen bekommen

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