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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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dick, du kannst mich nicht einfach ignorieren, Cookie.«
    »Sei bloß froh, dass ich dich ignoriere, May«, erwiderte er.
     
    Der Koch hatte nicht erwartet, Ketchum unter den Arbeitern zu finden, die auf der Abfuhrstraße die Holzlaster beluden. Selbst ein verletzter Ketchum war ein besserer Flößer als jeder andere Mann am Fluss. »Dieser Trottel von Arzt hat mir verboten, den Gips nass zu machen«, erklärte Ketchum.
    »Warum solltest du den Gips nass machen?«, fragte ihn Dominic. »Ich hab dich noch nie ins Wasser fallen sehen.«
    »Vielleicht hat mir der Fluss gestern fürs Erste gereicht, Cookie.«
    »Es gibt Wildeintopf«, teilte eine der Küchenhilfen den Arbeitern mit.
    Es hatte einen Unfall mit einem der Pferde gegeben und einen anderen Unfall mit einer motorbetriebenen Winde. Laut Ketchum hatte außerdem ein Frankokanadier einen Finger verloren, als er von einer Holzplattform Stämme ablud.
    »Tja, heute ist Freitag«, sagte Dominic, als sei an einem Freitag unter solchen Idioten nichts anderes zu erwarten. »Es gibt Kichererbsensuppe für diejenigen von euch, denen es etwas bedeutet, dass heute Freitag ist«, verkündete der Koch.
    Ketchum fiel auf, wie ungeduldig sein alter Freund war. »Was ist los, Cookie? Was ist passiert?«, fragte er.
    »Dot und May haben bloß rumgestichelt«, antwortete der Koch. Er erzählte Ketchum, was geschehen war - und auch, was May über Indianer-Jane gesagt hatte.
    »Erzähl das nicht mir, erzähl's
Jane«,
sagte Ketchum. »Jane reißt May den Arsch auf, wenn sie's erfährt.«
    »Ich weiß, Ketchum - darum sag ich's ihr
nicht.«
    »Wenn Jane gesehen hätte, wie Dot deine Hände an ihre Titten hält, hätte sie Dot schon längst den Arsch aufgerissen, Cookie.«
    Auch das wusste Dominic. Die Welt war ein gefährlicher Ort; der Koch wollte lieber nicht erfahren, wie viele neue Ärsche jede Minute aufgerissen wurden. Ketchum hatte seinerzeit eine ganze Menge aufgerissen und hätte keinerlei Skrupel, noch ein paar mehr aufzureißen.
    »Heute Abend gibt's gefüllte Brathähnchen mit Kartoffelgratin«, informierte Dominic Ketchum.
    Als Ketchum das hörte, schaute er gequält drein. »Ich hab ein Rendezvous«, sagte er. »So ein Pech, dass ich gefüllte Hähnchen verpasse.«
    »Ein
Rendezvous?«,
wiederholte der Koch angewidert. Für Ketchums Beziehungen - hauptsächlich mit Frauen aus dem Tanzsaal - schien ihm das Wort >Rendezvous< unpassend. Und in letzter Zeit hatte Ketchum mit Sixpack-Pam angebandelt. Gott allein wusste, wie viel die beiden
zusammen
trinken konnten, dachte Dominic. Seit er sie gerettet hatte, hatte der Koch ein Faible für Sixpack-Pam, spürte aber, dass sie ihn nicht besonders mochte; vielleicht ließ sie sich nicht gern retten.
    »Immer noch Pam?«, fragte Dominic seinen trinkfreudigen Freund.
    Doch Ketchum wollte nicht darüber reden. »Du solltest dir Sorgen machen, Cookie. May weiß über dich und Jane Bescheid. Müsstest du da nicht ein wenig beunruhigt sein?«
    Dominics Aufmerksamkeit galt jetzt den Küchenhilfen. Sie hatten am Rand der Holzabfuhrstraße gerade einen Klapptisch aufgebaut, neben dem Wanigan. Dort drin gab es Propangasbrenner, die Suppe und Eintopf warm hielten. Auf dem Klapptisch waren große Schüsseln und Löffel; die Holzarbeiter nahmen sich je eine Schüssel und einen Löffel und gingen in den Wanigan, wo ihnen die Frauen das Essen ausgaben.
    »Du wirkst nicht besorgt genug, Cookie«, stellte Ketchum fest. »Wenn May das mit Jane und dir weiß, weiß Dot es auch. Und wenn Dot es weiß, wissen es alle Frauen in deiner Küche. Sogar
ich
weiß es, aber mir ist es scheißegal.«
    »Ist mir klar, und ich weiß es zu schätzen«, sagte Dominic.
    »Worauf ich hinauswill: Wie lange noch, bis Constable Carl es weiß? Apropos Ärsche und Arschlöcher«, sagte Ketchum und legte dem Koch seinen schweren Gips auf die Schulter. »Sieh mich an, Cookie.« Mit seiner guten Hand wies Ketchum auf seine Stirn, auf die lange, bleiche Narbe. »Mein Kopf ist härter als deiner, Cookie. Glaub mir, das mit dir und Jane darf der Cowboy auf keinen Fall erfahren.«
    Fast hätte Dominic seinen alten Freund gefragt, mit wem er verabredet war, nur um das Thema zu wechseln. Doch der Koch wollte eigentlich gar nicht wissen, mit wem Ketchum bumste - vor allem, wenn es
nicht
Sixpack-Pam war.
    Wenn Jane abends nach Hause kam, dann meist (und immer öfter) so spät, dass Constable Carl schon im Tiefschlaf war. Morgens wachte der Cowboy erst wieder auf, nachdem sie zur

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