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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Natürlich schlugen ihn die älteren Jungs fester als Jane, sei es auf den Oberarm oder woandershin. »Lass das Kinn unten, die Schultern locker, die Ellbogen am Körper und die Hände oben vorm Gesicht«, sagte Jane. »Du musst aussehen, als würdest du jeden Moment zuschlagen - dann trittst du den Scheißkerl in die Eier.«
    »Ich weiß«, erwiderte der Zwölfjährige. Er hatte noch nie jemanden geschlagen oder in die Eier getreten. Janes Anweisungen verstörten den Jungen; ihre Tipps, so dachte er, beruhten bestimmt auf Ratschlägen, die Constable Carl ihr gegeben hatte, dabei hatte Jane doch höchstens vom
Constable
etwas zu befürchten. Der kleine Dan glaubte, kein anderer würde es wagen, sich mit ihr anzulegen - vielleicht nicht einmal Ketchum.
    Wenn sie sich im Kochhaus oder sonst irgendwo in Twisted River voneinander verabschiedeten, gab Jane Danny immer einen Abschiedskuss, nie aber, wenn sie ihn vor der Schule der Paris Manufacturing Company absetzte oder wenn sie ihn irgendwo am Phillips Brook abholte, wo sich die Kids aus West Dummer herumtreiben mochten. Wenn die älteren Jungs sahen, wie Indianer-Jane Danny einen Kuss gab, würden sie ihm noch mehr zusetzen als sonst. An diesem Freitag blieb der Zwölfjährige einfach neben Jane im Pick-up sitzen und rührte sich nicht. Vielleicht hatte Dan einen Moment lang vergessen, wo sie waren - und wartete nun, dass sie ihn küsste -, oder er wollte Jane wegen seiner Mutter etwas fragen.
    »Was ist los, Danny?«, sagte die Tellerwäscherin.
    »Machst du mit meinem Dad Do-si-do?«, fragte der Junge.
    Jane lächelte ihn an, doch es war ein verhalteneres Lächeln, als er es auf ihrem hübschen Gesicht gewohnt war; dass sie nicht antwortete, beunruhigte ihn. »Sag nicht, ich soll Ketchum fragen«, platzte es aus dem Jungen heraus. Das brachte Indianer-Jane zum Lachen. Ihr Lächeln war jetzt natürlicher, offener. (Häuptling Wahoo trug wie immer sein irres Grinsen zur Schau.)
    »Frag doch deinen Vater, wollte ich eigentlich sagen«, erwiderte die Tellerwäscherin. »Mach dir keine Sorgen«, ergänzte sie und boxte ihn noch mal in den Oberarm, diesmal ein wenig fester. »Danny?«, sagte Jane, als der Zwölfjährige aus dem Truck stieg. »Frag Ketchum
nicht.«
    Sie lebten in einer Welt voller Unfälle, dachte der Koch. Er kochte, was das Zeug hielt. Das Lammhaschee, das er zum Frühstück serviert hatte, reichte noch für ein Mittagessen. Außerdem hatte er (für die Katholiken) Kichererbsensuppe gekocht und einen Wildeintopf mit Möhren und Perlzwiebeln. Ja, es gab auch den vermaledeiten Topf Baked Beans und die unvermeidliche Erbsensuppe mit Petersilie. Aber ansonsten erinnerte kaum etwas an den üblichen Holzfällerfraß.
    Eine der Sägewerksarbeiterfrauen briet auf dem Backblech ein paar grobe italienische Würste. Der Koch sagte ihr mehrmals, sie solle die Würste zerkleinern, um das Wurstbrät anzubraten, woraufhin eine andere der Sägewerksarbeiterfrauen anfing zu singen. »Besorg's deiner Wurst mit 'm Bratenwender!«, sang sie zu der nicht unbedingt naheliegenden Melodie von
Vaya con Dios.
Die anderen Frauen stimmten mit ein.
    Am lautesten sang die Frau, die der Koch damit beauftragt hatte, sich um die Hefe für den Pizzateig zu kümmern; er behielt die Frau im Auge. Dominic wollte den Teig noch kneten und aufgehen lassen, ehe sie sich auf den Weg machten, um die Mittagessen zu verteilen. (Am Freitagabend würde es etliche wütende Frankokanadier geben, wenn für die Makrelenfresser nicht genug fleischlose Pizzen da waren.)
    Der Koch backte auch Maisbrot. Er wollte die Füllung für die Brathähnchen vorbereiten, die freitags abends ebenfalls auf dem Menü im Kochhaus standen. Dazu würde er das Wurstbrät mit dem Maisbrot, ein wenig Sellerie und Salbei mischen und - nach seiner Rückkehr vom Fluss oder wo auch immer die Lastwagen beladen wurden - Eier und Butter hinzufügen. In der großen Kasserolle, in der Danny den Ahornsirup erwärmt hatte, kochte Dominic den Butternusskürbis; er würde ihn zerstampfen, mit Ahornsirup mischen und die Butter beigeben, wenn er in den Ort zurückkam. Zu den gefüllten Brathähnchen reichte er am Freitagabend neben dem Kürbispüree auch noch Kartoffelgra-#tin. Die Kombination galt als Ketchums Lieblingsgericht; meist aß er freitags aber auch noch ein bisschen von der fleischlosen Pizza.
    Ketchum tat dem Koch leid. Dominic wusste nicht, ob Ketchum ernsthaft glaubte, dass sie Angel am Sonntagmorgen im Überlauf des oberen

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