Letzte Nacht in Twisted River
klärte Sixpack den Koch auf.
Kein Zweifel, Ketchum hatte gute Gründe, Vorkehrungen zu treffen, dachte Dominic, als er die Tür öffnete. Die fehlende Stufe erwartete ihn - er machte einen vorsichtigen großen Schritt. Auf der Treppe schlug ihm die deprimierende Musik aus dem Tanzsaal entgegen. Teresa Brewer sang gerade
Till I Waltz Again with You,
als der Wind die Tür aufstieß, die der Koch gerade geschlossen zu haben glaubte.
»Scheiße!«, hörte er Pam rufen.
Der Wind, oder vielleicht die Musik aus dem Tanzsaal, weckte Ketchums Lebensgeister, zumindest reichte es für eine letzte Bemerkung, ehe Sixpack die Tür zuknallte. »Da hat dich dein Scheißglück wohl verlassen, stimmt's, Lucky ?«, fragte Ketchum die stürmische Nacht.
Der arme Pinette, dachte Dominic. Vielleicht war Lucky Pinette schon nicht mehr in der Lage, diese Frage zu hören - er meinte: als Ketchum sie das erste Mal gestellt hatte,
falls
er sie wirklich gestellt hatte. (Inzwischen hörte Lucky schon lange nichts mehr.)
Der Koch ging an den schäbigen Kneipen mit ihren kaputten, lückenhaften Leuchtreklamen vorbei.
keine mind rj hrigen!, blinkte ihn die Leuchtschrift an.
dr ttes bier Grat S!, blinkte ein anderes Schild.
Kaum lagen die Leuchtreklamen hinter ihm, merkte Dominic, dass er seine Taschenlampe vergessen hatte. Er war sich ziemlich sicher, dass Sixpack eher ungnädig reagieren würde, wenn er deswegen zurückkäme. Der Koch schmeckte das Blut von seiner aufgeplatzten Lippe, und nachdem er die Hand zum Mund geführt hatte, waren auch seine Finger blutig. Doch das letzte bisschen Licht in Twisted River war schwach und wurde schwächer. Die Tanzsaaltür wehte zu (oder wurde zugeknallt), was Teresa Brewer ebenso abrupt verstummen ließ, als hätte Sixpack den schmalen Hals der Sängerin gepackt und zugedrückt. Als die Tanzsaaltür wieder aufwehte (oder aufgetreten wurde), schmachtete Tony Bennett
Rags to Riehes.
Für Dominic stand außer Zweifel, dass unerträgliche Musik eine der Ursachen für die fortwährende Gewalt an diesem Ort war.
Vor dem Saloon, wo sich die Beebe-Zwillinge geprügelt hatten, deutete nichts mehr auf eine Schlägerei hin. Charlie Clough und Earl Dinsmore hatten sich aus dem Schlamm aufgerappelt. Die ermordeten oder bewusstlosen Brüder Beaudette hatten sich von der alten Lombard-Lok zurückgezogen (oder waren weggetragen worden), die seit Ewigkeiten in der Gasse neben dem Tanzsaal stand und diesen mit großer Sicherheit überdauern würde.
Dominic Baciagalupo ging in Schlangenlinien vorwärts, in der Dunkelheit hätte man sein Hinken leicht für den tapsigen Gang eines Betrunkenen halten können. Bei der Bar der vorwiegend von frankokanadischen Wanderarbeitern frequentierten Absteige torkelte eine vertraute Gestalt aus dem Dunkeln auf Dominic zu, doch ehe er sicher sein konnte, dass es tatsächlich Constable Carl war, blendete ihn eine Taschenlampe. »Halt! Das heißt >StoppArrete,
wenn du ein Froschfresser bist«, sagte der Cowboy.
»Guten Abend, Constable«, sagte Dominic und blinzelte in das Licht. Sowohl die Taschenlampe als auch das herumwirbelnde Sägemehl machten ihm zu schaffen.
»Du bist ziemlich spät dran, Cookie - und du
blutest«,
sagte der Constable.
»Ich habe einen Freund besucht«, erwiderte der Koch.
»Egal, wer dich geschlagen hat, er war nicht dein Freund«, sagte der Cowboy und kam näher.
»Ich habe meine Taschenlampe vergessen und bin in irgendwas reingelaufen, Carl.«
»Könnte ein Knie gewesen sein ... vielleicht auch ein Ellbogen«, spekulierte Constable Carl; seine Taschenlampe berührte beinahe Dominics blutende Unterlippe. Die Schnapsfahne des Constable war in der Luft so deutlich zu spüren wie das Sägemehl, das dem Koch im Gesicht brannte.
Wie es der Zufall wollte, hatte jemand die Musik in dem Tanzsaal lauter gedreht. Die Quasidrehtür wurde wieder aufgestoßen, und Doris Day sang
Secret Love,
während die beiden Liebhaber von Indianer-Jane einander gegenüberstanden und der betrunkene Cowboy in aller Ruhe die Lippenverletzung des nüchternen Kochs studierte. In diesem Augenblick spie das Lieblingswirtshaus der frankokanadischen Wanderarbeiter unsanft eine der glücklosen Seelen dieser Nacht aus. Der junge, wie ein Kojotenwelpe jaulende Lucien Charest wurde nackt ins Freie geworfen und landete auf allen vieren in der matschigen Gasse. Rasch richtete der Constable seine Taschenlampe auf den verängstigten Frankokanadier.
Die Tanzsaaltür knallte zu und würgte
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