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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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hin und her. Ihre Brüste fielen auf seinen Oberkörper, ihr Mund fuhr über sein Gesicht, ohne seine Unterlippe zu berühren, während sich ihre langen Haare nach vorn ergossen und über den beiden eine Art Zelt bildeten.
    Der Koch konnte zwar atmen, sich aber nicht rühren. Jane war zu schwer, sie ließ sich nicht bewegen. Außerdem hätte Dominic Baciagalupo nichts, aber auch rein gar nichts daran ändern wollen, wie sie auf ihm vor und zurück schaukelte... oder wie sie Schwung aufnahm (nicht einmal, wenn Indianer-Jane so leicht gewesen wäre wie Dominics verstorbene Frau Rosie und er selbst so groß wie Ketchum). Es war ein wenig wie Zugfahren, dachte sich Dominic - außer dass er nichts tun konnte, als sich fest an den Zug zu klammern, der in Wirklichkeit
auf ihm
fuhr.
     
    Es war jetzt unwichtig, dass Danny überzeugt war, er habe im Bad Wasser laufen hören, und dass der Kuss auf seine Stirn (entweder von seinem Vater oder von Jane) real gewesen war. Unwichtig auch, dass der Junge den Kuss in einen Traum über Sixpack-Pam eingebaut hatte, in dem sie ihn mit leidenschaftlichen Küssen überschüttete - nicht unbedingt auf die Stirn. Und es war genauso unwichtig, dass der Zwölfjährige das seltsame Knarren kannte, das sein hinkender Vater auf der Treppe verursachte, denn dieses Hinken hatte er schon vor einiger Zeit gehört. Aber das Knarren jetzt war anders, und er kannte es nicht. (Beim Treppensteigen nahm sein Vater die Stufen immer mit dem guten Fuß und zog den lahmen Fuß, der weniger fest auftrat, nach.)
    Nur dieses neue und nicht enden wollende Knarren war jetzt wichtig und woher es nach Ansicht des ängstlichen, inzwischen hellwachen Jungen kam. Es war eindeutig nicht nur der Wind, der an dem Obergeschoss des Kochhauses rüttelte - jede Jahreszeit hatte ihren eigenen Wind, und Danny kannte sie alle. Der verängstigte Junge stand leise auf und schlich mit angehaltenem Atem und auf Zehenspitzen zu der nur angelehnten Tür seines Zimmers hinaus auf den Flur.
    Da lag Häuptling Wahoo mit seinem irren, kopfüber stehenden Grinsen. Aber was war mit
Jane
passiert?, fragte sich der Junge. Wenn ihre Mütze im Flur herumlag, wo war dann ihr
Kopf?
Hatte der Eindringling (denn gewiss lief ein Räuber frei herum) Jane enthauptet - entweder mit einem Tatzenhieb oder, im Falle eines
menschlichen
Räubers, mit einem Beil?
    Während Danny vorsichtig durch den Flur schlich, erwartete er fast, Janes abgetrennten Kopf in der Badewanne liegen zu sehen. Als er an der offenen Badezimmertür vorbeikam, ohne ihren Kopf zu entdecken, stand für den Zwölfjährigen fest, dass der Eindringling ein Bär sein musste, kein Mensch, und dass dieser Bär Jane
gefressen
hatte und sich jetzt über seinen Dad hermachte. Es gab nämlich keinen Zweifel, wo das laute Knarren und Stöhnen herkam - aus dem väterlichen Schlafzimmer. Der Junge hörte eindeutig ein Stöhnen (oder, schlimmer noch, ein Winseln), als er näher trat. Und als er wieder an der Cleveland-Indians-Mütze vorbeikam, fürchtete er sich noch mehr.
    Was Danny Baciagalupo sah (genauer gesagt, was er zu sehen
glaubte),
als er das Schlafzimmer seines Dads betrat, war das, was er befürchtet hatte, sogar noch schlimmer - noch größer und noch haariger, als der Junge sich einen Bären je vorgestellt hatte. Nur die Knie und Füße seines Vaters ragten unter dem Bären hervor, und was noch beängstigender war, sie bewegten sich nicht.
    War es schon zu spät, um seinen Dad zu retten? Nur der Bär bewegte sich - das rundliche, bucklige Untier (dessen Kopf man nicht sah) brachte das Bett zum Schaukeln, und seine schwarz glänzenden Haare waren sowohl länger als auch üppiger, als Danny sich die Haare eines Schwarzbären je vorgestellt hatte.
    Der Bär
verschlang
Dannys Vater, jedenfalls kam es dem Zwölfjährigen so vor. Da er unbewaffnet war, hätte man vielleicht erwarten können, dass sich der Junge auf das Tier stürzte, das seinen Dad so wild und rasend angriff, und sei es nur, um gegen die Schlafzimmerwand geschleudert oder von den Krallen des Bären zerfleischt zu werden. Doch Familiengeschichten - vielleicht vor allem das, was man uns als Kind erzählt - bemächtigen sich unserer elementarsten Instinkte und durchdringen unsere tiefliegendsten Erinnerungen, besonders in Notsituationen. Danny griff nach der gusseisernen Bratpfanne, als wäre sie
seine
Allzweckwaffe, nicht die seines Vaters. Die Pfanne war legendär, und Danny wusste genau, wo sie sich befand.
    Den Stiel mit

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