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Letzte Reise

Letzte Reise

Titel: Letzte Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
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dem Rückweg? Vor lauter Erleichterung über den guten Verlauf des Empfangs hatte sie dem keine Aufmerksamkeit geschenkt. Vielleicht war er einfach nur müde, hatten die Huldigungen ihn erschöpft. Sie war dem König und der Königin, einer schmalen Frau, die kein Wort gesagt hatte, begegnet und hatte ihnen die Hand geschüttelt. Sie hob die Hand in den Lichtkegel der Lampe und betrachtete sie. Es mußte einfach gutgehen. Wenn James sich ohne Ärger in dieser Gesellschaft behaupten konnte, gab es eine Zukunft an Land. Zuvor hatte er sich nur als Kommandant frei gefühlt; während der ersten Reise hatte er diese Position erfolgreich gegen Banks verteidigt, und während der zweiten Reise hatte er nicht mehr gezweifelt und es vollkommen selbstverständlich gefunden, daß man ihm gehorchte und ihn respektierte. So hatte er heute nachmittag auch ausgesehen.
    Berater der Admiralität könnte er werden, ein weiser, erfahrener Kapitän, der andere auf seine Anweisungen hin die Entdeckerarbeit machen ließ. Er könnte die Bevorratung überwachen, den Schiffsbau, die Beförderungen. Er würde abends nach Hause kommen, zu ihr und Nat, dessen Geigenspiel lauschen, über die Zukunft dieses zweiten Sohnes sprechen. Sie zuckte die Achseln. Es war nicht an ihr, darüber zu entscheiden.
    Er hatte am Nachmittag den Befehl über eines der größten Schiffe bekommen, mit vierundsiebzig Kanonen an Bord. Sie wußte nicht, wie sehr ihn das reizte. Vermutlich nur mäßig, er interessierte sich mehr für Kartographie und Navigation. Sie könnte mit Palliser reden, doch davor schreckte sie zurück, so als könnte es sich später rächen, wenn sie sich aktiv eine Strategie zurechtlegte. Es mußte von selbst gehen, alles mußte ohne ihr Eingreifen gut werden.
    Am nächsten Tag kam Nachricht von der Admiralität: Die Ernennung sei zurückgezogen worden und Kapitän Cook werde höflich ersucht, sich um die Stellung des Kommandeurs des Marinehospitals zu bewerben. Der Befehl über die vierundsiebzig Kanonen war eine Formalität gewesen. Nur Kapitäne, die solche Riesenschiffe unter sich gehabt hatten, kamen für das Hospital in Frage.
    »Sitzen«, sagte er. »Man braucht dort nur zu sitzen den ganzen Tag. Es gibt dort vier Kapitäne, und sie haben alle vier nichts zu tun. Es ist nicht mal mehr ein richtiges Krankenhaus, sondern ein Heim für alte Matrosen. Eine enorm gut bezahlte Stellung. Wir bekommen eine Dienstwohnung. Eine verkappte Pensionierung ist das. Sehr ehrenvoll. Feuer und Licht gratis. Ich muß einen Brief schreiben.«
    Sie unterdrückte die Anwandlung, loszurennen und Feder und Papier zu holen. Bildete sie es sich ein, oder sah er tatsächlich schlecht aus? Es schien, als sei er eingesunken, er stützte sich mit den Armen auf dem Gartentisch ab.
    »Fühlst du dich nicht gut?« Die Frage rutschte ihr heraus, und sie bedauerte es sofort. Er richtete sich auf und stellte die Füße nebeneinander. Unzugängliches Gesicht.
    »Wie sollte ich mich hier anders als gut fühlen können?«
    Schweißtröpfchen standen ihm auf der Oberlippe. Aber es war auch warm, selbst im Schatten der Quitte war es warm.
    »Was meinst du, Elizabeth, ziehen wir nach drüben in den Palast?«
    Ja, wollte sie sagen, ja! Ein sanft ansteigender Rasen vor der Tür. Flure aus Marmor. Ruhe. Zeit, ein neues Kind zur Welt kommen zu lassen, ein Kind, das sie gemeinsam aufwachsen sehen können. Das den Hügel der Sternwarte hinauf- und hinabrennen kann in dem Bewußtsein, daß sein Vater am Tisch sitzt, wenn es vom Spielen müde nach Hause kommt. Eine Tochter würden sie bekommen, wenn er diese Chance ergriff. Davon war sie überzeugt. Sie schwieg.
    Doch die hoffnungsvolle Stimmung hielt an. Elizabeth ergriff jede Gelegenheit, aus dem Haus zu gehen und einen Abstecher an den Fluß zu machen. Sie schaute zum anderen Ufer hinüber. Eine Dienstwohnung mit Personal. Das betagte Tempo des Hospitals. Die Gewißheit, daß er neben ihr liegen würde, jede Nacht.
    Palliser kam und sprach mit James. Die beiden Männer liefen um den großen Tisch herum, auf dem schon wieder Stapel von Briefen lagen, eine Karte der Südsee, ein Tintenfaß, eine Schere. Elizabeth, die gerade in der Küche Zwiebeln und Sellerie schnitt, hörte ihre Stimmen. Wenn sie sich konzentrierte, konnte sie Fetzen des Gesprächs verstehen.
    »Wir müssen ihn zurückbringen. Clerke könnte das machen, mit der Resolution, sobald das Schiff ausgebessert ist.«
    Der tiefe Baß Pallisers. Stille. Dann James: »Ein

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