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Letzte Reise

Letzte Reise

Titel: Letzte Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
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Schiff mit neunzig Mann ausrüsten, um einen zu Unrecht mitgenommenen Eingeborenen zurückzubringen? Ich sehe ein, daß die Verpflichtung besteht, Omai hätte niemals herkommen dürfen, aber ich würde so eine Expedition mit weiteren Anweisungen verbinden. Der nördliche Teil des Großen Ozeans ist noch unzulänglich erforscht.«
    »Darüber müssen wir beraten«, sagte Palliser. »Fest steht auf jeden Fall, daß Omai zurückgeht, mit allen seinen unsinnigen Geschenken und Habseligkeiten.«
    »Keine Feuerwaffen. Die Pistolen und das Jagdgewehr müssen hierbleiben. Der Mann ist ein Kind, womöglich erschießt er seine Landsleute im Zorn oder Übermut. Sie werden ihn unter Garantie berauben und ihm den Schädel einschlagen. Er ist gut ein Jahr hiergewesen, er hätte etwas lernen können, damit er dort von Nutzen ist. Dann werden sie ihn vielleicht akzeptieren.«
    »Tja«, sagte Palliser, »er kann die Polka tanzen. Er kann einen Krebs mit der Krebszange essen. Seine Verbeugung ist sehr elegant, und er flaniert mit einem Spazierstock durch die Stadt. Ich bin ganz deiner Meinung, James, wir hätten ihn zum Zimmermann oder dergleichen ausbilden sollen.«
    »Sie bauen dort in einer Weise, die für das Klima perfekt geeignet ist. Unsere Nägel verrosten dort, wenn sie nicht zuvor schon gestohlen werden. Gärtner, daran habe ich schon gedacht. Daß er etwas über die Bodenbearbeitung lernt, übers Säen, Jäten, Ernten. Er könnte eine Plantage anfangen und junge Insulaner schulen, die die Arbeit fortsetzen. Getreide. Kartoffeln. Aber er hat keine Geduld. Samen sind in seinen Augen dazu da, geröstet und gegessen zu werden. Er ist dumm und eitel. Wenn auch fröhlich und munter wie ein Kind. Wir werden seine Rückkehr mit großer Sorgfalt vorbereiten müssen. Omai kann nichts dafür, er ist Opfer der modischen Neugier der Öffentlichkeit hier. Wann läuft Gierke aus?«
    Sie hörte es. Gierke läuft aus, nicht er. Palliser wird dafür sorgen, der sieht ja auch, wie erschöpft und müde er ist. Palliser ist auf meiner Seite. Ist es denn ein Kampf, gibt es Parteien? Ich möchte, was für James am besten ist. Rückzug aus dem aktiven Dienst und den Erfolg auskosten. Ich möchte, daß er Zeit und Ruhe hat, um seine Karten zu vervollständigen und herauszubringen. Daß er seine Tagebücher genau so überarbeitet und veröffentlicht, wie er es möchte, ohne Hast. Ich möchte nicht mehr allein sein. Ich habe ein Recht auf ein Eheleben, auf eine richtige Familie. Aber das Recht existiert nicht. Es existiert nur diese Chance, diese Möglichkeit, den Fluß zu überqueren und ins Hospital einzuziehen.
    Sie rührte kräftig in der Suppe. Das Geräusch von Suppenkelle gegen Topfwand verdrängte die Männerstimmen.
    An diesem Abend zog er sich ins große Zimmer zurück. Elizabeth lief im Halbdunkel durch den Garten, um die ausgetrockneten Blumen zu gießen, und sah ihn durch die kleinen Scheiben gekrümmt am Tisch sitzen. Er schrieb. Später kam er in die Küche.
    »Ich habe es getan«, sagte er. Der strahlend weiße Brief blitzte in seiner Hand.
    Die Resolution war endlich im Dock von Deptford angekommen, und das Ausräumen des Schiffes konnte beginnen. Doch zuerst wurde gefeiert. Lord Sandwich, der Marineminister, hatte beschlossen, die Rückkehr mit einem Empfang und einem Festessen an Bord zu begehen. Er stand selbst an der Reling, flankiert von seiner Geliebten, und begrüßte die Gäste. Auf dem Achterdeck spielte die Kapelle der Marinesoldaten in der grellen Sonne, die sich in den Schalltrichtern der Trompeten spiegelte. Der gesetzte Solander wackelte mit übertrieben vorsichtigen Schrittchen die Laufplanke hinauf, Gierke war da und Stephens. Palliser kam in einer schnellen Kutsche der Admiralität angeprescht; seine Frau hatte er zu Hause gelassen. Forster, der Mann der Wissenschaft, stand mit mißbilligendem Gesichtsausdruck schweigend neben seinem Sohn, und in dem Wirrwarr fröhlich gekleideter Menschen erkannte Elizabeth den Maler Hodges und Wales, den Astronomen. Es war ein strahlender, klarer Augusttag. In der Ferne konnte sie die Kuppeln des Marinehospitals ausmachen. Jetzt habe ich die nötige Ruhe, um mir das Schiff einmal genau anzusehen, dachte sie, diese so unschuldig wirkende hölzerne Hülle, mit der er über das Meer gefahren ist, die beinahe zwischen Eisschollen zerquetscht und wie ein dürres Blatt vom Sturm über die Wellen geworfen wurde. Ich kann mir das alles bewußt machen, denn es ist Vergangenheit geworden, es

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