Letzte Reise
erzählte!
Sie lächelte James zu. Wie gut es war, wieder zu viert zu sein. Sogar Nathaniel schien aufzuleben und fragte seinem Bruder Löcher in den Bauch. Was bringen sie euch bei, wann mußt du essen und was, bist du oft auf dem Wasser, wie heißen deine Freunde, darfst du die Hängematte aufhängen, wo du willst, wirst du oft bestraft? Bist du seekrank gewesen, hattest du Angst, hast du Heimweh?
Sie verschwanden zusammen nach draußen. Elizabeth begann, den Tisch abzuräumen, und warf einen Blick auf die Zeichnung von einer felsigen Küste, die Jamie seinem Vater mitgebracht hatte. Die Linien schienen ohne Zögern gezogen worden zu sein, und mit Liebe zum Detail waren die Klippen mit Bewuchs versehen worden. Einrahmen und aufhängen, dachte sie.
»Gestern habe ich mit Sandwich gesprochen«, sagte James. »Er hat von Forster gründlich die Nase voll. Mit dem Mann könne man einfach nicht reden, sagt er. Den Laufpaß geben will er ihm freilich noch nicht. Die Admiralität hat viel Geld in Forster investiert. Seine Aufzeichnungen enthalten so viele Informationen, schwer, das einfach wegzuwerfen. Wie Sandwich das lösen will, ist mir noch nicht ersichtlich. Ich bin froh, daß ich nicht in seiner Haut stecke.«
»Habt ihr über dein Buch gesprochen?« fragte Elizabeth. Im großen Zimmer lagen dreizehn dunkelblaue Hefte auf dem Tisch, die Endfassung des Reisetagebuchs. James hatte in den vergangenen Wochen hart daran gearbeitet. Stundenlang studierte er die vorangegangene Version, um zwischen den Zeilen, aus dem Wirrwarr loser Notizen und ergänzter Anmerkungen das Wesentliche der Geschichte herauszufiltern. Beim Schreiben hemmte ihn die Vorstellung, daß ein Publikum seine Sätze lesen würde, und er bat sie wiederholt um ihr Urteil über Passagen, die anstößig sein könnten. Sie hatte nichts daran zu bemängeln. Seine Beschreibung einer zeremoniellen Entjungferung, die von der Bevölkerung leidenschaftlich kommentiert wurde, seine Spekulationen über Treue und Untreue, seine Anspielungen auf das zügellose Verhalten der Mannschaft faszinierten sie. Sie konnte beinahe den Duft von Tahiti riechen, wenn sie las. Er erzählte, wie es war – warmes, grünes Meer, in dem sich nackte Mädchen schamlos auf dem Rücken treiben ließen –, was er vorgefunden und welche Gedanken das bei ihm hervorgerufen hatte. Sich mißbilligend darüber zu äußern lag ihr fern. Sie achtete auf den Satzbau und die Interpunktion. Mit dem Inhalt nahm sie vorlieb.
»Er hat mir angeboten, das Ganze von einem Berater durchsehen zu lassen. Er nannte einen Namen, ein Kanonikus aus Windsor. Sandwich ließ durchblicken, daß der König dahintersteckt, aber du weißt, wie er ist, wenn er nichts preisgeben möchte, hält er höchst diplomatisch den Mund. Ich habe den Eindruck gewonnen, daß uns keine andere Wahl bleibt.«
Elizabeth dachte über den königlichen Wunsch nach, das Reisebuch redigieren zu lassen. Sie erwartete, daß sie es als Beleidigung, als Mißfallensvotum empfinden und es sie grämen würde, doch alles, was sie registrierte, war Erleichterung. Da lag ein tadelloses Manuskript, dessen Rechtschreibfehler und schiefe Sätze weitgehend behoben waren. Sie hatten ernsthaft und einträchtig an der Geschichte gearbeitet. Es war Weihnachten, James würde zu Hause bleiben, sie bekam ein Kind. Vielleicht war es gar nicht mehr notwendig, so eine gemeinsame Aufgabe zu verrichten. Laß ihn das ruhig mit diesem Kanonikus beratschlagen. Laß ihn ruhig.
»Du kannst den Mann doch mal einen Blick darauf werfen lassen. Schick ihm die ersten fünf Hefte und schau, was er sagt.«
»Und es macht dir nichts aus?« Er nahm die Hefte vom Stapel und legte sie gesondert hin.
»Nein. Wenn du damit einverstanden bist.«
Er kam zu ihr und strich ihr übers Haar. »Du hast mir so sehr geholfen«, sagte er. »Ich bin kein Schriftsteller. Es kostet mich die größte Mühe, und ich weiß nie, wann etwas fertig ist. Wie soll ich von der einen zur nächsten Szene kommen? Was soll ich mit all den Kleinigkeiten machen, die ich unbedingt darin haben möchte, die den Erzählfluß aber so verlangsamen? Ich habe gestern noch einmal einen Blick in dieses fürchterliche Buch von Hawkesworth geworfen. Was die Fakten betrifft, macht er alles falsch, aber es ist trotzdem fesselnd, weil er weiß, wie man eine Geschichte erzählen muß. Ich habe kein Gefühl dafür.«
Sie griff zu den Heften, die er gesondert hingelegt hatte. »Pack sie ein, schick sie weg. Laß dir
Weitere Kostenlose Bücher