Letzte Reise
klatschnaß an seinem Rücken. Sein Würgen und Ächzen hallte laut zwischen den kahlen Wänden wider. Er kniete auf den unebenen Klinkern des Fußbodens; die Rückseite seiner nackten, mageren Beine sah fahlgrau und leblos aus.
»Was ist denn, James?« fragte sie erschrocken.
Er reagierte nicht. Sein Gesicht wurde von dem Eimer verdeckt, den er mit beiden Armen umklammerte. Sie ging neben ihm in die Hocke und legte ihm die Hand in den Nacken. Klammer Schweiß.
»Tür zu!« keuchte er schließlich. »Die Jungen!«
Sie erhob sich, schloß die Tür, nahm ein Handtuch und goß Wasser in einen Becher. Jetzt nicht in Panik geraten, dachte sie, einfach nur tun, was zu tun ist.
Er hob den Kopf, und sie begann ihm das Gesicht abzuwischen, wie sie das früher bei Jamie getan hatte, wenn er in den Matsch gefallen war. Aus dem Eimer stieg ein ekelhafter Gestank nach säuerlichem, halb verdautem Essen auf.
Sie gab ihm zu trinken. Prompt zogen erneute Krämpfe durch seinen Oberkörper. Streicheln. Halten. Geduld. Er kam zur Ruhe und schob den Eimer beiseite. Wie Haubentaucher auf dem Wasser knieten sie einander gegenüber. Sie erschrak über sein eingefallenes, gelbliches Gesicht, in dem die Augen dunkel und groß glänzten.
»Es ist nichts«, sagte er krächzend. »Verdauungsstörung. Eine Weihnachtskrankheit.«
Er versuchte, sich zu erheben, und stützte sich schwer auf ihre Schultern. Auf ihre Frage, ob er laufen könne, nickte er kurz, mit zusammengepreßten Lippen. Schleppend kämpften sie sich zusammen die Treppe hinauf. Mit aller Kraft klammerte er sich am Geländer fest, es schien, als ziehe er sich mit den Armen hoch. Sie blieb ein wenig hinter ihm, aus Furcht, daß er fallen könnte. Wenn das geschah, würde sie wenig ausrichten können, er würde sie mit seinem langen Leib mitreißen, bis sie beide am Fuße der Treppe auf dem Boden lagen. Dennoch stützte sie vorsichtig seinen Rücken.
Er verzog das Gesicht zu einer als Lächeln gedachten Grimasse, als er wieder im Bett lag. Unter ihren Augen fiel er in Schlaf.
Am nächsten Morgen schien es, als sei nichts gewesen. Gut gelaunt saß er mit den Jungen am Tisch und aß Brei. Elizabeth ging in die Waschküche. Der Eimer stand saubergeschrubbt auf dem Reck.
Darüber reden, dachte sie, fragen, ob er häufiger Beschwerden hatte, auf der Reise war er so krank gewesen, sie mußte wissen, was los war. Einfach fragen, so schwer war das doch nicht. Aber sie schwieg.
»Schau«, sagte James, »ein Brief von Douglas. Er hat die Hefte durchgesehen, die ich ihm neulich geschickt habe. Lies du mal, ich bin gespannt, was du davon hältst.«
Sie nahm den Brief von ihm entgegen. Douglas' Ton war freundlich-höflich, seine Formulierungen zurückhaltend. Er beglückwünschte James zu seinem Journal, die beschriebenen Geschehnisse hätten ihn sehr fasziniert. Es würde ihm eine Ehre sein, das Buch mit James zusammen druckfertig zu machen, schrieb er, und er lud den Autor ein, ihn in Windsor zu besuchen, damit sie das eine und andere in Ruhe besprechen könnten. James brauche keine wesentlichen Eingriffe zu befürchten, weder was den Inhalt noch was den Stil betreffe, denn seiner bescheidenen Meinung nach sei die direkte und realistische Art der Darstellung Teil der Anziehungskraft des Buches. Mit größter Achtung und Bewunderung und den herzlichsten Grüßen.
Elizabeth schaute auf und nickte. »Ich würde es machen. Klingt doch sympathisch, findest du nicht? Er wird sich deine Geschichte gewiß nicht aneignen. Wann gedenkst du zu fahren?«
»Ich fahre nicht«, sagte James. »Das kostet mich zuviel Zeit. Ich brauche ein paar Tage, um die folgenden Hefte versandfertig zu machen, die schicke ich ihm dann mit der Postkutsche. Ich muß auf die Werft, kommende Woche. Dort liegen jetzt drei Schiffe, die vielleicht geeignet sind. Darauf muß ich meine Zeit verwenden. Ich werde diesem Douglas schreiben. Er versteht das schon. Und wenn nicht, dann eben nicht.«
Sie sah ihn plötzlich wieder auf dem Achterdeck der Resolution stehen: breitbeinig, dezidiert, mit schnellen Bewegungen und einem Blick, der alles überschaut. Dieses Bild vertrug sich nicht mit dem des knieenden, sich übergebenden Mannes, den sie in der Waschküche vorgefunden hatte. Sie scheute sich, ihn nach seiner Gesundheit zu fragen, jetzt, da er so energiegeladen aussah, doch was passiert war, nagte in ihren Gedanken weiter.
»Banks hat uns zu seinem Neujahrsempfang eingeladen«, sagte James. »Alle kommen, das heißt,
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