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Letzte Reise

Letzte Reise

Titel: Letzte Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
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einfach von dem Mann helfen. Wenn er sich als eine Art Hawkesworth entpuppt, sehen wir weiter.«
    Die Erleichterung verlieh ihr Flügel. Das Weihnachtsessen! Palliser und seine Frau wurden eingeladen; Nat und Jamie würden beim Tischdecken helfen. Nüsse, Apfel, Konfitüren und Käse wurden aus dem Keller heraufgeholt. Die Gans im Bräter, mit ihrer Füllung aus Brotkrumen und Pflaumen, begann leise zu duften. Zum erstenmal seit Wochen lehnte sich Nat in der Küche an sie.
    »Du hast gestern so wunderschön gespielt«, sagte sie. »Ich habe alles um mich herum vergessen, als ich dir zuhörte.« Der Junge schöpfte mit einer Suppenkelle das flüssige Fett auf und ließ es über den Gänserücken tröpfeln. Oben bei der Orgel hatte er gestanden, schmächtig und kerzengerade, die Geige hoch erhoben. Sie hatte gesehen, daß er die Augen schloß, als er nach dem Vorspiel des Organisten den Bogen auf die Saiten legte. In der Kirche war es totenstill geworden, sogar Jamie, der hinter James und ihr mit einem Schulfreund herumgealbert hatte, war verstummt und hatte sich vom Spiel seines Bruders in den Bann ziehen lassen.
    »Es ging gut«, sagte Nat. »Ich wußte genau, wie ich es wollte, und das ist mir auch gelungen. Es ging wie von selbst. Darf ich den Pudding stürzen, wenn er fertig ist? Ja?«
    Ein kalter Windhauch aus dem Flur kündete von Pallisers Eintreffen. James kam mit einem mächtigen Schinken in den Armen in die Küche. Palliser folgte, allein.
    »Es geht nicht«, sagte er. »Sie fühlt sich nicht gut. Sie läßt sich entschuldigen. Aber ich bin da. Tag, Nat, ich habe dein Spiel gestern sehr genossen. Richtig gut war das. Da lohnt es sich doch direkt, am Heiligabend in die Kirche zu gehen.«
    Er sah Elizabeth an, mit Augen, die im warmen Kerzenlicht strahlend hellblau waren. Vielleicht ist er ganz einfach froh, hier zu sein, dachte sie. Auf der Werft ruht die Arbeit, die Admiralität hat ihre Amtszimmer geschlossen, und er ist lieber in dieser Küche als in seinem eigenen Haus bei der kranken, der kinderlosen Frau.
    Jamie kam herein, den Geruch von frischer Luft um sich. Er gab Palliser höflich die Hand und zog ihn dann mit in das große Zimmer, um ihm etwas zu zeigen. Nat ging ihnen nach. Durch die offenstehende Tür konnte sie das Gespräch verfolgen.
    »Aber wer ist denn dann der Chef?« fragte Jamie.
    »Papa natürlich«, sagte Nat sofort.
    »Das ist kompliziert.« Palliser räusperte sich. »Es gibt mehrere Chefs. Lord Sandwich ist der Marineminister. Er ist der oberste Chef, er untersteht direkt dem König und unterhält Kontakt zur Regierung. Die Admiralität selbst, das Amt, wird von Philip Stephens geleitet. Er ist Herr über alles, was mit der Schiffahrt zu tun hat. Und mit Geld.«
    »Und Ihr?« fragte Jamie.
    »Ja, Junge, ich bin auch eine Art Chef. Kontrolleur der Flotte, könnte man es nennen. Ich muß dafür sorgen, daß Schiffe für die Expeditionen da sind, die sich Sandwich und Stephens ausgedacht haben. Ich kaufe sie, ich schaue, ob sie in gutem Zustand sind, ich lasse sie reparieren, wenn das nicht der Fall ist. Wenn ich mir nicht sicher bin, frage ich euren Vater um Rat. So verhält sich das.«
    Die Gans brutzelte so laut, daß Elizabeth nicht mehr verstehen konnte, was im Zimmer gesagt wurde. Sie nahm den Bräter vom Feuer. Nicht mehr lange, und das Mahl konnte beginnen.
    Sie hatten das schwere Damasttuch auf den Tisch gelegt. Teller und Besteck für Pallisers Frau hatte Elizabeth im letzten Moment heruntergenommen. Jetzt saßen sie zu fünft am Tisch: James zwischen seinen Söhnen auf der einen Seite, Palliser und sie auf der anderen. Im Kamin brannte ein unbändiges Feuer, und bleiche neue Kerzen beleuchteten die Tafel.
    Es entspann sich ein Schiffahrtsgespräch, wie konnte es anders sein. Palliser und James unterhielten sich über die Heimreise Omais, die Jungen lauschten atemlos, und Elizabeth lehnte sich mit den Armen über dem Bauch auf ihrem Stuhl zurück. Die Gans war perfekt gebraten.
    Kapitän Clerke sollte Omai zu seiner Insel zurückbringen, und dazu sollten zwei Schiffe ausfahren, die ausgebesserte Resolution und ein neues, von James auszuwählendes Schiff.
    »Nimmt Omai so viel mit, daß dafür zwei Schiffe nötig sind?« fragte Nat. Jamie begann eine Aufzählung: Kleider, Gewehre, Bretter, um ein Haus zu bauen, Marmorfliesen, Pferde, ein Ochse!
    »Vielleicht machen sie noch etwas anderes, wenn Omai nach Hause gebracht worden ist. Ich weiß nichts Genaues, die Ordern an den

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