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Letzte Reise

Letzte Reise

Titel: Letzte Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
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daß er sich mit Hilfe seines Spazierstocks auf den Beinen halten mußte. Ihr überraschtes Lächeln erstarb, und sie standen einander auf einmal täppisch und unbehaglich gegenüber.
    »Ich bin dir eine Erklärung schuldig«, sagte er nach einer zu langen Stille. »Laß uns kurz irgendwo reden, ja?«
    Er gab ihr seinen Arm, und sie gingen langsam zum Kaffeehaus. Es fiel ihr auf, wie mühsam er sich bewegte, wie schwer er sich auf sie stützte. Drinnen war es behaglich warm, sie legten Mantel und Schal ab, ließen sich nieder, und Palliser bestellte warmen Wein.
    »Ich habe es nicht verhindern können. Ich bedaure das mehr, als ich sagen kann. Du darfst das nicht falsch verstehen, wir haben ihn nicht überredet. Er will es selbst.«
    Elizabeth sah ihn fragend an. Warm war es hier, sie schob die Haube zurück und lehnte sich an die Wand. Warum war er so nervös?
    »Wir saßen im Turmzimmer. Stephens hatte eine Rehkeule braten lassen, und ein Faß Port war aufgemacht worden, das Sandwich für diesen Anlaß bewahrt hatte. Wir blickten über den Fluß auf der einen und die Sternwarte auf der anderen Seite.«
    Port. Er sprach von dem bewußten Abend, der bewußten Nacht, in der James betrunken nach Hause gekommen war. Sie wärmte die Hände an ihrem Glas.
    »Du weißt, daß es um die nördliche Durchfahrt geht? Es ist geheim, aber ich nehme an, daß James mit dir darüber gesprochen hat. Wir hatten eine Karte auf dem Tisch, die Weltkarte zwischen den Schüsseln und Gläsern, wir sprachen über die verschiedenen Möglichkeiten, die beste Zeit des Jahres, die benötigten Vorräte.«
    Palliser legte sein schlimmes Bein über das andere und rieb sich andächtig den Knöchel.
    »Erzähl weiter«, sagte sie.
    »Die Besatzung«, sagte er mit gesenktem Kopf. »Wie viele Matrosen. Marinesoldaten. Ob Wissenschaftler dabeisein sollen. Darum ging es.«
    Wieder verstummte er. Elizabeth hatte sich aufgesetzt und den Wein weggestellt. Irgendwo in ihrem Kopf dämmerte es ihr, daß sie nicht hören wollte, was er jetzt sagen würde. »Und?« fragte sie.
    Er sah sie an. »Wer das Kommando über die Expedition führen könnte. Eine sehr erfahrene Person mit großen Fähigkeiten auf kartographischem Gebiet. Gierke wurde genannt, von Stephens, glaube ich. Die Namen verschiedener Offiziere gingen über den Tisch: Pickersgill, Gore. Ich entsinne mich, daß sich James sehr positiv über Clerke ausließ. Wie beliebt er bei der Mannschaft sei. Er sei ein Schürzenjäger, sagte Sandwich. Es wurde gezweifelt. War Gierke seriös genug, um einen so schweren Auftrag zu einem guten Ende zu führen? In den nördlichen Meeren ist es von größter Wichtigkeit, die Ernährung an Bord genauestens zu überwachen. Konnten wir Clerke das anvertrauen? Angenommen, er will sich bei seinen Männern beliebt machen und geht zu großzügig mit dem Proviant um? Es fällt ihm schwer, Bitten um größere Rumrationen auszuschlagen, das ist bekannt. Zu freundlich. Zu freigebig. Und er selbst trinkt auch gern ein Glas, das wissen wir.«
    »Jetzt sag es schon«, sagte Elizabeth. Sie hörte, daß ihre Stimme starr und eisig klang, sie lauschte ihr, als wäre es die Stimme einer anderen, einer kerzengerade dasitzenden Frau, die sich nichts zu Herzen nimmt.
    »Es ging hin und her«, sagte Palliser. »Ich trat für Clerke ein. Ich höre seine Männer immer nur Gutes über ihn berichten. Er ist nachgiebig, das stimmt, aber das hat Vorteile für die Atmosphäre an Bord. Und er geht sparsam mit der Peitsche um.«
    Er stockte. Der Wirt kam mit einer dampfenden Kanne und schenkte die Gläser noch einmal voll. Palliser wartete, bis der Mann davongeschlurft war.
    »Wir kamen zu keinem Ergebnis. Sandwich war ganz offensichtlich nicht glücklich mit der Entscheidung für Clerke. Er ergriff das Wort. Er sagte, daß er an diesem Nachmittag mit dem König über die Expedition gesprochen habe. Von Seiten des Palastes seien spezielle Wünsche geäußert worden, Seine Majestät hätte gern, daß die teuerste und wichtigste Unternehmung der maritimen Geschichte von dem berühmtesten und erfahrensten Kapitän geleitet würde.«
    »Laß die großen Worte«, sagte sie. »Erzähl einfach, was geschah.«
    »James erhob sich. Ich mache es, sagte er. Wenn ihr mich darum bittet, bin ich bereit. Das waren seine Worte. Sein Gesicht war rot, wir hatten alle tüchtig getrunken. Wir jubelten und stießen darauf an. Alle waren erleichtert, weißt du, James lieferte die Lösung für ein großes Problem.

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