Letzte Runde in Mac's Place
Nacht.
Padillo rannte ins Restaurant zurück. Als er ins Büro platzte, entfernte McCorkle gerade den Rest der weißen Umhüllung von dem Päckchen. Ohne aufzublicken sagte er: »Geh hier raus!«
»Wieviel Zeit noch?«
»Null«, sagte McCorkle, schälte den letzten Fetzen Papier ab und enthüllte einen weißen Karton, der einst 500 Stück Southward-Anleihen enthalten hatte. Padillo warf sich auf den Boden. McCorkle drehte den Kopf nach rechts, kniff die Augen zusammen, fletschte die Zähne in einer starren Grimasse und hob den Kartondeckel hoch. Als nichts passierte, öffnete er die Augen, blickte nach unten und sagte: »Okay, du kannst hochkommen.«
Padillo stand auf, ging zum Schreibtisch und starrte in den offenen Karton, der einen halben Ziegelstein und einen Big-Ben-Wecker enthielt, der in China hergestellt war und nicht mehr tickte. Der rote Ziegelstein und der Wecker waren in ein Nest aus weltweit geschmähten weißen Verpackungskrümeln aus Kunststoff gebettet.
Vorsichtig ließ Padillo sich in den Sessel sinken, den Reba Skelton Minuten vorher geräumt hatte. »Vielleicht hat sie bloß versucht, dich zu Tode zu erschrecken.«
McCorkle antwortete nicht eher, als bis er seine Schachtel Pall Mall, zwei Gläser und die Flasche mit dem irischen Whiskey gefunden hatte. Nachdem er alles auf dem Schreibtisch plaziert hatte, goß er zwei Drinks ein, reichte einen Padillo, zündete sich eine Zigarette an, inhalierte tief, blies den Rauch aus und sagte: »Dann ist sie ihrem Ziel verdammt nahe gekommen.«
D REIUNDZWANZIG
Erika McCorkle ließ den Motor laufen, als sie und Haynes sich am Sonntagmorgen um 9.27 Uhr unter den belustigten Blicken des Portiers des Willard Hotels zum Abschied küßten. Als der Kuß um 9.29 Uhr endete, öffnete der unrasierte Haynes die Tür des Cutlass, setzte den rechten Fuß auf den Bürgersteig und wandte sich noch einmal mit einem Lächeln um, das eine Gänsehaut auf ihre Unterarme zauberte.
Sie erwiderte es mit einem Puffmuttergrinsen, das den Vertrag vom Tall Pine Motel ratifizierte, wo die Frage der sexuellen Vereinigung aufgeworfen und beigelegt worden war. Als Haynes ausgestiegen war, fuhr sie in Richtung des US- Finanzministeriums los, das im schneepolierten Sonnenlicht schimmerte und so aussah, als schulde es niemandem auch nur einen Cent.
Als sie fort war, betrat Haynes das Hotel und steuerte die Rezeption an, um sich zu erkundigen, ob jemand für ihn eine Nachricht hinterlassen habe. In diesem Moment erhob sich Detective- Sergeant Darius Pouncy aus einem der großen, hochlehnigen Sessel in der Lobby, bei deren Her-
Stellung man offenbar an Gäste von der Größe Lincolns gedacht hatte.
Pouncys dunkelblauer Anzug - mit Weste - war so hervorragend geschneidert, daß er mindestens fünfzehn Pfund seines Gewichts wegnahm. Seine rot-blaue Foulard-Krawatte brauchte einen HalbWindsorknoten, um den Kragen eines wunderbar gebügelten Oberhemds auszufüllen, das noch nie eine simple Schnellreinigung von innen gesehen hatte. Seine Füße steckten in glattschwarzen Schuhen mit glänzenden Kappen.
Pouncy begrüßte Haynes mit einem Nicken und drehte sich um, um seinen dunkelgrauen Chesterfield-Mantel von der Lehne des großen, antik aussehenden Sessels zu nehmen. Als er den Mantel salopp über den linken Arm gelegt hatte, wandte er sich wieder an Haynes und sagte: »Ich wollte Sie schon als vermißt melden.«
»Ich bin vom Schnee festgehalten worden.«
»Wo?«
»Von hier aus zwanzig Meilen vor Berryville.«
»Dort haben sie eine Zeitlang gewohnt, nicht? Auf einer Farm bei Berryville. Ihr Daddy und Miss Gelinet.«
»Niemand hat ihn zeit seines Lebens meinen Daddy genannt aber sie haben dort gewohnt. Eine Zeitlang.«
»Etwas Interessantes gefunden?«
»Ein totes Pferd und eine Stiefmutter, die ich bislang noch nicht kennengelernt hatte. Meiner Meinung nach ist sie des Pferdes wegen gekommen.«
Pouncy nickte ernst, als hätte Haynes gerade etwas sehr Tiefsinniges gesagt, und sah auf seine Uhr. Mit vager Erleichterung registrierte Haynes die Tatsache, daß es sich um eine vergoldete Seiko handelte.
»Es ist jetzt neun Uhr dreiunddreißig«, sagte Pouncy, »und ich muß meine Frau gegen zehn Uhr dreißig zur Kirche fahren. Wir haben also noch Zeit für einen Kaffee und ein oder zwei Marmeladen- Doughnuts.«
»Hört sich gut an«, sagte Haynes.
Das glitzernde Espresso-Cafe des Willard war einer von den schwarzweiß gekachelten Treffs aus Glas, Chrom und Neon-Akzenten,
Weitere Kostenlose Bücher