Letzte Runde in Mac's Place
Haynes, nicht mehr seit September neunzehnhundertvierundsiebzig, als Sie und Ihr Vater bei uns speisten. Das war an Ihrem achtzehnten Geburtstag, wie ich mich erinnere, und am nächsten Tag waren sie unterwegs zur Universität in Charlottesville.« Herr Horst hielt inne, senkte die Stimme und fügte in trauervollem Ton hinzu: »Ich habe mit außerordentlichem Bedauern von seinem Tod erfahren.«
»Sie sind sehr freundlich«, sagte Haynes.
Tinker Burns, der noch immer die Speisekarte studierte, sagte: »Haben Sie je dran gedacht, diese Gedächtnisnummer von Ihnen einem Wanderzirkus anzudienen?«
»Nicht in jüngster Zeit«, sagte Herr Horst.
Burns blickte auf. »Der McCorkle in der Nähe?«
»Leider nein.«
»Was ist mit Padillo?«
»Ich werde ihm sagen, daß Sie hier sind.«
»Nur keine Mühe.«
Herrn Horsts Lippen verzogen sich, als erwäge er ein Lächeln. »Aber er wäre untröstlich, würde er es nicht erfahren.«
Nachdem sich der Ober abgewandt hatte und gemächlich davonmarschiert war, als führe er noch immer eine unsichtbare Prozession an, kam ein Kellner herbeigeeilt, um ihre Getränkebestellungen entgegenzunehmen. Burns wollte einen Martini, knochentrocken, Gelinet einen Wermut und Haynes eine Flasche Beck's. Mit dem Kellner und den Getränken kam Michael Padillo an ihren Tisch.
Haynes konnte sich von dem scheinbar endlosen Geburtstagsdinner von vor über vierzehn Jahren her nicht mehr an Padillo erinnern. Doch hatte er etwas an sich, das er seltsam vertraut fand.
Während er sich des lange zurückliegenden Geburtstagsdinners entsann, stellte Haynes fest, daß er mit Leichtigkeit ein mentales Bild des Mannes zeichnen konnte, den Tinker Burns als »der McCorkle« bezeichnet hatte - ein großer Mann, weit über einsachtzig, der an ihrem Tisch stehengeblieben war, um mit Steadfast Haynes ein paar Freundlichkeiten und geistreiche Bemerkungen auszutauschen. McCorkle verfügte über zu viele Lachfältchen um die selbstironischen Augen, die entweder haselnußfarben oder braun waren. Ferner verfügte er über ein skeptisches Grinsen, fast noch vollständiges Haar und eine Figur wie ein Pilot mittleren Alters, der sich schon lange nicht mehr um die Fitneßgymnastik der Canadian Air Force scherte. Aber der eigentliche Grund dafür, warum du dich so gut an ihn erinnerst, so entschied Haynes, ist die Tatsache, daß er zwei Cognac hatte vorbeibringen lassen und dies das erste Mal war, daß ein Wirt ihm einen Drink spendierte.
Während er noch immer Padillo beobachtete, der sich über die Hand der lächelnden Isabelle Gelinet beugte, fand Haynes sich in die aufgegebene Rolle eines Detective des Morddezernats zurückversetzt: Er schätzte Padillos Größe auf um die einsachtzig, sein Gewicht auf 72 bis 75 Kilo, klassifizierte seine Nase als lang und gerade, seinen Mund als schmal und breit, seine Hautfarbe als leicht dunkel und seine Haare als dunkelbraun mit grauen Strähnen.
Kurz fragte er sich, ob Padillo teils mexikanischer oder spanischer Herkunft sei, entschied dann aber, daß es darauf eigentlich nicht ankam, weil er noch nie jemanden in diesem Alter gesehen hatte, der sich mit derart athletischer Anmut bewegte, die gewöhnlich ein Vorrecht jener Zeitgenossen war, die damit ihr Geld auf Sportplätzen verdienten - oder in Manegen, in die man entweder den Stier oder ein anderes Mittelgewicht schickte.
Die Augen waren es, die Padillo so sonderbar vertraut machten. Nicht ihre Farbe, die auf Haynes' privater Tabelle als Kühles Graugrün Nr. Eins kodiert war, sondern vielmehr ihr Ausdruck halbfrommen Fatalismus'. Diesen Ausdruck, so glaubte er, erwarben nur diejenigen, die mit manchem Risiko in menschliche Abgründe gespäht und von dem, was sie gesehen hatten, alles andere als beruhigt waren.
Haynes hatte alte Hasen aus dem Morddezernat, kurz vor der Pension, gekannt, die den gleichen Ausdruck gehabt hatten. Und zwei Dichter, beides Frauen, die eine alt, die andere jung. Und einmal hatte sich auf dem Dach eines Bürogebäudes am
Wilshire Boulevard in Westwood ein 47 Jahre alter Psychiater umgewandt und Haynes kurz mit demselben Ausdruck angestarrt, bevor er sich wieder abwandte und über den Rand trat.
Isabelle Gelinet übernahm es schließlich, Padillo und Granville Haynes einander vorzustellen. Nachdem sie sich die Hand geschüttelt hatten, sagte Padillo, es täte ihm sehr leid wegen Steadys Tod. Haynes dankte ihm und fragte, ob sie gute Freunde gewesen seien.
»Gute Bekannte«, sagte Padillo.
»Du
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