Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet
hervor und fragte: »Wo bleibt eigentlich die Prinzessin?«
Ich schaute von meinen Berechnungen auf und sah auf die Uhr. Es waren drei Stunden vergangen, seit die Prinzessin aus dem Haus gegangen war! So lange konnte es wirklich nicht dauern, ein paar Lebensmittel aus den Regalen zu nehmen. Selbst dann nicht, wenn man bummelte.
»Vielleicht hat sie jemanden getroffen und sich verquatscht?«, vermutete ich. Ich wollte mir lieber nicht vorstellen, was alles passiert sein konnte.
Aber Sandro band sich schon die Haare zusammen und zog die Schuhe an. »Wir müssen sie suchen.«
Wir liefen zum Supermarkt und gingen einen anderen Weg wieder zurück. Wir schauten noch einmal in der Schule vorbei und guckten in die verlassenen Hütten, die noch nicht abgebaut worden waren. Wir fragten alle, die uns begegneten, nach einem Mädchen mit feuerroten Haaren unter einem Sturzhelm, einer Wäscheklammer auf der Nase und rosa Bändern an den Kleidern. Aber niemand hatte sie gesehen. Die Erwachsenen sowieso nicht. Sie waren alle mit sich selbst beschäftigt und hatten keine Zeit oder keine Lust, auf unsere Frage zu antworten. Bestimmt hätten uns die Ratten weiterhelfen können. Doch die konnten ja nicht sprechen. Heute weiß ich, dass sie uns sowieso nicht geholfen hätten. Ganz im Gegenteil.
Als es dunkel wurde, gingen wir wieder nach Hause. Wir setzten uns in mein Zimmer, ohne das Licht anzuschalten. Lange Zeit sagten wir nichts. Ich wusste auch nicht, was ich denken sollte. Es war, als hätte mir jemand alle Gedanken geklaut. Oder war das alles gar nicht wahr?
»Das fühlt sich alles an wie ein böser Traum«, murmelte ich vor mich hin. »Ich würde gerne aufwachen«, sagte Sandro, der wieder in seiner Ecke hockte.
Wir gingen zusammen aufs Klo und dann ins Bett. Hunger hatten wir keinen und reden wollten wir auch nicht. Ich wartete auf die Prinzessin. Aber sie kam nicht wieder. Irgendwann muss ich trotz allem eingeschlafen sein. Als ich am nächsten Morgen aufwachte und die Prinzessin immer noch weg war, wäre ich am liebsten im Bett geblieben und hätte die Augen wieder zugemacht. Darum blieb ich erst einmal im Bett liegen und machte die Augen wieder zu.
»Ich wünsche mir, dass der ganze Spuk vorbei ist«, murmelte ich. »Ich wünsche mir, dass die Prinzessin und alle Eltern wieder nach Hause kommen, dass Frau Müller wieder ihre Perücke trägt, dass die Frösche und Lurche schrumpfen und keine Gummijacken mehr anhaben und dass alles wieder so ist wie vorher.«
»Kurt, wir müssen die Prinzessin finden«, sagte Sandro.
Ich wusste, dass er Recht hatte. Manchmal hilft es ja, wenn man sich etwas aus vollem Herzen wünscht. Aber manchmal eben auch nicht. Dann muss man selber etwas tun. Also zogen wir unsere Schuhe an und gingen runter auf die Straße.
»Wir müssen uns ganz genau umschauen«, sagte Sandro. »Irgendeine Spur muss es geben. In einer Geschichte gibt es auch immer eine Spur. Sonst wäre sie bald zu Ende.«
Wir taten, als bummelten wir ein bisschen herum, damit die Ratten nicht auf uns aufmerksam wurden. An diesem Tag schienen noch mehr von ihnen unterwegs zu sein als sonst. Immer wieder hörten wir ihre scharfen Pfiffe durch die Straßen gellen. Wir entdeckten auch immer mehr Ratten mit albernen Kappen.
»Sie wurde entführt«, sagte Sandro auf einmal.
»Ich weiß«, sagte ich.
Wir waren uns ziemlich sicher, dass entweder der Rattenmann oder die Breitmaulfrösche und Lurche oder alle zusammen die Prinzessin entführt hatten.
»Vielleicht ist sie ja gar nicht in der Kanalisation. Sie könnte ja auch hier oben gefangen gehalten werden«, überlegte Sandro hoffnungsvoll.
Wir wollten lieber nicht darüber nachdenken, dass die Lurche vielleicht im Auftrag von etwas Größerem oder Furchtbarerem handelten, das unter der Stadt hauste und die Prinzessin in seiner Gewalt hatte. Es war auch so schon schlimm genug.
Da wir sowieso erst in der Nacht in die Kanalisation steigen wollten, beschlossen wir, uns noch einmal in der Stadt umzusehen. Aber als wir drei Stunden später im Schulhof saßen, hatten wir nicht die kleinste Spur der Prinzessin entdeckt. Wir knabberten trockene Müsliriegel und beobachteten die anderen Kinder.
Plötzlich bemerkte ich etwas aus dem Augenwinkel. Etwas Rosafarbenes. Ich drehte schnell den Kopf und sah eine Ratte davonhuschen. Sie trug eine Kappe. Und daran wehte ein rosa Band.
»Sandro, hast du das gesehen?«, rief ich und sprang auf.
»Pst!«, machte Sandro. »Nicht so
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