Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet
laut.«
»Die Ratte«, flüsterte ich. »Sie hatte ein rosafarbenes Band an ihrer Kappe!«
»Was?« Nun war Sandro auch ganz aufgeregt.
»Sollen wir der Ratte folgen oder ist das eine Falle? Was meinst du?«
»Zu spät! Die Ratte ist nicht mehr da!«, sagte Sandro. »Verdammt. Das war bestimmt die Prinzessin, die der Ratte das Band umgebunden hat! Sie will uns ein Zeichen geben. Wir müssen nur herausfinden, was es bedeutet.« Doch das war gar nicht so einfach. Die Ratten liefen überall herum – auf den Straßen, aber auch in der Kanalisation. Die Prinzessin hätte also auch überall sein können. Als wir eine zweite Ratte mit einem rosafarbenen Band an ihrer Kappe sahen, versuchten wir ihr zu folgen. Vergeblich. Sie war viel zu schnell wieder verschwunden. Uns blieb keine Wahl: Wir mussten durch die Klappe im Wagen des Rattenmannes unter die Stadt steigen. Wir mussten nur noch die Nacht abwarten.
Damit die Zeit schneller verging, liefen wir noch einmal durch das Viertel. Leider erfolglos. Bis zum Abend wuchs so ein blöder Kloß in meinem Bauch. Er wurde größer und größer. Es war, als würde er mir die Luft abdrücken.
»Schau mal«, sagte Sandro und stieß mir mit dem Ellenbogen in die Seite. Er deutete auf die Baustelle der neuen Schulsporthalle. Solange ich denken konnte, gab es die schon. Irgendwann hatten Arbeiter die Baugrube ausgehoben, eine Menge Beton hineingegossen und dann nicht mehr weitergebaut. Der Stadt war das Geld ausgegangen, hieß es. Nun sammelten sich Regenwasser und Müll in der Grube. Der Regen der letzten Woche hatte einen kleinen Teil der sandigen Grubenwand zum Einsturz gebracht. Jetzt klaffte dort ein dunkles Loch. Und auf das zeigte Sandro. Denn am Eingang zum Loch hatte sich ein rosafarbenes Band in einem Steinhaufen verfangen und wedelte im Wind, obwohl es gar nicht windig war. Das konnte nur bedeuten, dass ein Luftstrom aus dem Loch kam. Wahrscheinlich ein kalter, modrig riechender Luftstrom. So kalt und modrig wie der Wind, der aus der Klappe vom Essenswagen des Rattenmannes kam. So kalt und modrig wie der Hades.
»Ich glaube, wir haben einen besseren Eingang in die Unterwelt gefunden als den in der Schule«, sagte ich und Sandro nickte.
Abstieg in die Unterwelt
Bevor wir aufbrachen, kontrollierten wir noch einmal unsere Ausrüstung.
»Sollen wir den Rucksack der Prinzessin auch mitnehmen?«, fragte ich. »Wenn wir sie gefunden haben, können wir zu dritt weitergehen. Da kann sie die Überlebensausrüstung sicher gut gebrauchen.«
Ich fand, das war eine gute Idee. Wir mussten doch die Welt retten! Aber Sandro war anderer Meinung. Er hob den Rucksack hoch.
»Er ist zu schwer. Wir können ihn nicht tragen. Lass uns die wichtigsten Sachen aufteilen. Den Rest lassen wir hier.«
Ich packte den rosa Kapuzenpulli der Prinzessin zu meinen Sachen. Vielleicht war ihr ja furchtbar kalt, dort wo sie war. Sandro band das Seil an seinem Rucksack fest. Ich sah, dass er auch seine Kette mit den Schildern um den Hals legte.
»Warum nimmst du die eigentlich immer noch mit? Du brauchst sie doch gar nicht mehr.« Sandro guckte verdutzt auf die Kette.
»Stimmt eigentlich. Aber irgendwie habe ich mich an sie gewöhnt. Ist sozusagen mein Talisman«, sagte er grinsend. Ich grinste zurück. Glücksbringer konnten wir gut gebrauchen.
Wir setzten die Sturzhelme auf und verließen die Wohnung. Es war unheimlich still in den Straßen. Nur ein paar Ratten huschten vorbei und der Wind heulte ein bisschen. Der Mond sandte sein kaltes Licht vom Himmel. Wir warfen lange Schatten auf den Gehweg. Ich vermisste das Lachen und den Gesang der Kinder an den Lagerfeuern. Als sie noch auf den Straßen gewohnt hatten, musste man nachts keine Angst haben.
»Der Mond ist aufgegangen …«, begann Sandro leise zu singen und ich sang mit: »… die goldnen Sternlein prangen am Himmel hell und klar.«
Schließlich standen wir in der Baugrube vor dem Loch, aus dem der kalte und modrige Luftzug kam. »Vielleicht sollten wir uns erst einmal einen Witz erzählen«, schlug ich vor. »Kennst du einen Witz?«, flüsterte Sandro zurück.
»Nein«, antwortete ich ebenso leise. Obwohl mein Hapkido-Lehrer oft Witze erzählte, wollte mir in dem Moment einfach keiner einfallen.
»Ich auch nicht«, wisperte Sandro. »Ob die Prinzessin einen wüsste?«
»Wir werden sie fragen, wenn wir sie gefunden haben«, antwortete ich und ließ mich auf alle Viere nieder.
Wir krabbelten hintereinander in das Loch, dem kalten
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