Letzter Gruss - Thriller
vielleicht eine Tasse Kaffee bekommen, aber die Gelegenheit haben Sie sich verscherzt. Hier entlang …«
Sie wandte sich nach rechts und steuerte durch das Großraumbüro auf die Kriminalredaktion zu.
»Ich bin nicht gekommen, um Kaffee zu trinken«, sagte Jacob Kanon hinter ihr. »Hat man die Leichen gefunden?«
Er war schlecht gelaunt und stank. Cooler Typ.
»Noch nicht.«
Sie zeigte auf den wackeligen Metallstuhl an ihrem Arbeitsplatz und setzte sich hinter den Schreibtisch.
»Wann ist der Brief aufgegeben worden?«, fragte er.
»Gestern Mittag, hier am Hauptbahnhof. Wir kriegen sonntags eigentlich keine Post, aber die Polizei hat für eine Sonderzustellung gesorgt.«
Er setzte sich auf den Stuhl und beugte sich vor, die Ellenbogen auf die Knie gestützt.
»Haben Sie das Foto gesehen?«, fragte er. »Was war drauf? Irgendwas Charakteristisches? Etwas, das den Tatort verraten könnte?«
Dessie musterte den Mann. Bei Tageslicht sah er noch schlimmer aus als im Halbdunkel des Treppenhauses. Ungekämmte Haare, dreckige Kleider, aber in seinen Augen brannte eine Glut, die sein Gesicht lebendig machte.
»Der Umschlag enthielt nur das Polaroidfoto. Sonst nichts.«
Sie wandte den Blick ab, als sie ihm eine abfotografierte Kopie des Bildes reichte. Jacob Kanon nahm es in beide Hände und starrte die Leichen an. Dessie bemühte sich, ruhig und unberührt zu wirken. Normalerweise schreckte Gewalt sie nicht, aber in diesem Fall war es anders.
Die Opfer waren so jung, der Tod so kalt.
»Skandinavische Umgebung«, stellte der Polizist fest. »Helle Möbel, heller Hintergrund, blonde Leute. Haben sie den Umschlag auch mitgenommen?«
Dessie schluckte.
»Die Kriminaltechniker? Ja, natürlich.«
»Haben Sie davon auch eine Kopie?«
Dessie gab ihm die Fotokopie des gewöhnlichen, langformatigen Kuverts.
Die Adresse war in säuberlichen Blockbuchstaben quer über die Vorderseite geschrieben.
DESSIE LARSSON
AFTONPOSTEN
115 10 STOCKHOLM
Mit Unbehagen betrachtete sie ihren eigenen Namen.
»Die Techniker werden nichts darauf finden«, sagte Jacob Kanon. »Diese Mörder hinterlassen keine Fingerabdrücke, und sie lecken keine Briefmarken an. Stand noch etwas auf der Rückseite?«
Sie schüttelte den Kopf.
Er hielt das Foto der Leichen hoch.
»Kann ich mir hiervon eine Kopie machen?«
»Ich kann es Ihnen noch einmal ausdrucken«, sagte Dessie, tippte kurz etwas auf ihrem Computer und zeigte auf einen Drucker, der ein Stück entfernt stand. »Ich wollte mir eben einen Kaffee holen«, fuhr sie fort. »Wollen Sie auch einen?«
»Ich dachte, die Gelegenheit hätte ich mir verscherzt«, antwortete Jacob Kanon und ging zum Drucker, um seinen Ausdruck zu holen.
Mit dem intensiven Gefühl von Unwirklichkeit ging Dessie an den Kaffeeautomaten. Für sich nahm sie Kaffee mit Milch, für den Amerikaner drückte sie auf extra stark, schwarz. Er sah aus, als könnte er den gebrauchen.
»Irgendwann machen sie einen Fehler«, sagte Jacob Kanon und nahm den Kaffee entgegen. »Früher oder später werden sie nachlässig oder übermütig. Dieser Moment ist nicht mehr weit …«
Dessie schob den miserablen Kaffee von sich und ließ den Amerikaner nicht aus den Augen.
»Ich habe eine Menge Fragen«, sagte sie, »aber als Erstes muss ich wissen: Warum ich? Warum haben sie mich ausgewählt? Können Sie mir das sagen?«
Im selben Moment begann ihr Handy zu vibrieren. Sie warf einen Blick auf das Display. Gabriella ruft an.
»Das ist eine Ermittlerin«, sagte sie.
»Eine Ermittlerin in diesem Fall? Dann gehen Sie doch dran!«
Sie nahm das Gespräch an und drehte sich mit dem Stuhl um, so dass sie Jacob Kanon den Rücken zuwandte.
»Wir glauben, dass wir die Opfer gefunden haben«, sagte Gabriella. »Ein deutsches Paar auf Dalarö.«
14
Dessie holte tief Luft.
»Wer hat sie gefunden?«
Jacob Kanon kam um den Schreibtisch herum, so dass er ihr wieder gegenüberstand.
»Die Putzfrau«, sagte Gabriella ins Handy. »Wir haben eine Streife rausgeschickt.«
»Haben sie die Opfer?«, fragte Jacob Kanon.
Dessie wandte sich wieder von ihm ab.
»Seid ihr sicher, dass es die Leute auf dem Foto sind?«, fragte sie.
»Sie haben sie gefunden, stimmt’s?«, bohrte der Amerikaner.
»Wer redet da denn dauernd dazwischen?«, fragte Gabriella.
»Der Gerichtsmediziner wird Spuren diverser Substanzen im Blut der Opfer finden«, rief Jacob Kanon laut ins Handy. »THC und Alkohol, aber auch eine Droge, die …«
»Wann ist der Mord
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