Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
der Pfarrer selber. Dem schaute die Lüsternheit ja schon bei den Nasenlöchern heraus.
Auch der Frau Doktor schienen die Blicke des Pfarrers zunehmend unangenehm zu werden. „Herr Ainhirn“, sagte sie, von ihm abrückend, „wenn Sie Aussagen machen können, dann kommen Sie auf den Posten, dort können wir in Ruhe reden.“ Sie setzte ihre Beine nebeneinander unter den Tisch und zog den Rock nach unten. Diese Signale schien sogar der Pfarrer zu verstehen und wandte sich nun wieder seinem Gegenüber, dem Kahlß Friedrich, zu, der die ganze Unterhaltung ohne jede nach außen sichtbare Reaktion an sich vorüberziehen hatte lassen. Gasperlmaier dachte, dass es vielleicht günstig sein würde, mit der Evi, die bei den Naglreiters putzte, ein längeres und detaillierteres Gespräch über die Familie Naglreiter zu führen. Möglicherweise wusste oder ahnte sie Dinge, die der Pfarrer nur andeuten hatte wollen oder können.
Die Frau Doktor schob den Pappteller mit den Hühnerresten von sich und hielt ratlos ihre Finger vor die Augen, die von Hühnerfett und Grillgewürz verschmiert waren. Schlagartig fiel Gasperlmaier ein, dass er ja die zwei Feuchttüchlein, die er mit den Grillhendln erhalten hatte, in seine Uniformtasche gesteckt hatte, und er beeilte sich, eines davon herauszuholen, um der Frau Doktor hilfreich zur Seite zu springen.
Ungelenk mit seinen fettigen Fingern in der Jacke kramend, riss er das Päckchen heraus, und dabei flog das Plastiksäckchen mit der Naglreiter’schen Speicherkarte in hohem Bogen auf den Tisch. Interessiert wandten sich die Blicke des Kahlß Friedrich und des Pfarrers dem Beweisstück zu, nach dem Gasperlmaier errötend und dennoch flink griff, um es wieder in seine Jackentasche zu stecken. „Habt’s leicht da ein Beweismittel?“, erkundigte sich der Pfarrer interessiert. „Habt’s leicht beim Naglreiter schon was gefunden? Verträge? Dokumente? Testamente? Pornos?“ Gasperlmaier verwunderte es, dass der Pfarrer so schnell und messerscharf schlussfolgerte, was sich auf einer solchen Speicherkarte befinden mochte und wo Gasperlmaier sie aufgefunden haben konnte. Der Mann war wirklich eine Landplage. Wieso nur hatten sie ausgerechnet auf ihn treffen müssen?
Mit einem kurzen Wink und dem schon vertrauten Heben der Augenbrauen bedeutete die Frau Doktor den beiden Polizisten, dass die Mittagspause nun beendet sei. Fast brüsk drängte sie sich zwischen den Bänken hindurch und schlug, sobald sie freie Bahn hatte, trotz ihrer Stöckelschuhe ein Tempo an, dass ihr Gasperlmaier kaum und der Kahlß Friedrich gar nicht folgen konnte. Als Gasperlmaier keuchend an ihre Seite gelangte, hatten sie die Hauptstraße mit den Kirtagsständen fast schon erreicht. „Wird Zeit, dass wir die Witwe auftreiben!“, meinte die Frau Doktor, bevor sie klappernd auf die Asphaltstraße einbog.
7
Eine beeindruckend aufregende Erscheinung war sie schon, die Frau Naglreiter, dachte Gasperlmaier bei sich. Warum sich der Doktor Naglreiter, wenn man dem Pfarrer Glauben schenken durfte, von einer Affäre zur nächsten weitergehantelt haben sollte, das war Gasperlmaiers Verständnis nicht zugänglich. Auch sie war, natürlich, im Ausseer Dirndl, das ihr fast bis zu den Knöcheln reichte, und auch sie hatte, Gasperlmaier übersah es nicht, Schuhe mit sehr hohen Absätzen dazu an, solche, wie die Ines sie getragen hatte. Die hier waren aber sicher wesentlich teurer gewesen, das konnte sogar ein Mann wie Gasperlmaier erkennen, der an sich einen weiten Bogen um Auslagen mit darin zur Schau gestellten Schuhen zu schlagen pflegte. Gasperlmaier blieb aber dennoch bei seiner Meinung: Stöckelschuhe hatten unterhalb eines Dirndls nichts verloren. Auch das Dirndl schien eines von einer der bekannten Nobelmarken zu sein, nicht selbst geschneidert, wie es viele Frauen im Ausseerland noch konnten, nicht zuletzt seine Christine. Wie ein Strahlenkranz lagen die langen, blond gefärbten Haare der Frau Naglreiter jetzt im Wasser, und mit den Schuhen würde auch nicht mehr viel anzufangen sein, wo sie womöglich stundenlang im See getrieben hatten.
Gasperlmaier saß zusammen mit der Frau Doktor Kohlross, dem Kahlß Friedrich und dem Gruber Kajetan von der Freiwilligen Feuerwehr Altaussee in einer Motorzille, die sie zu der Stelle hinausgefahren hatte, an der eine völlig aufgelöste Familie in einem Elektroboot die Leiche der Frau Naglreiter im Altausseer See treibend aufgefunden hatte.
„Sollte sie nicht eigentlich
Weitere Kostenlose Bücher