Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
für ein Paragraf, jemanden besuchen?“ Gasperlmaier hatte das Gefühl, dass das Gespräch schwierig werden würde. „Also warst dort. Warst auch schwimmen, im Pool?“
„Ist das jetzt auch ein Verbrechen? Darf ich jetzt auch nicht mehr schwimmen? Soll ich mich vielleicht verschleiern? Oder ein Dings, wie heißt das, eine Burka tragen, so wie die Musliminnen?“ Der Ton der Natalie war gereizt und aggressiv, wie Gasperlmaier das von gelegentlichen Auseinandersetzungen mit seinen eigenen Kindern kannte.
„Weißt, Natalie“, setzte Gasperlmaier fort, „die in Wien glauben eh, dass der Doktor Naglreiter seine Finger im Geschäft mit der Ostmafia gehabt hat, dass er deswegen irgendwie einem russischen Oligarchen oder so in den Weg geraten ist, aber auf der anderen Seite – es wird auch so viel geredet über die Naglreiters, dass er Verhältnisse gehabt hat und dass sie auch …“
„Verdammt noch einmal!“ Wieder sprang die Natalie auf. Gasperlmaier musste ohne das geringste Vergnügen feststellen, dass der Natalie beim Hinhocken die Hose tief über den Hintern hinuntergerutscht war und dass sie darunter so ein Höschen trug, das nur ein Schnürl durch den Popo hatte. Gasperlmaier hätte es nicht gefallen, wenn seine Tochter so im Bierzelt gesessen wäre – wo man praktisch den halben Hintern sehen konnte und nur ein bisschen Vorstellungskraft brauchte, um sich auszumalen, wo das mit Glitzersternchen besetzte Schnürl hin verschwand, und so viel Vorstellungskraft, meinte Gasperlmaier, haben sogar die Besoffenen im Bierzelt noch. Und die kommen da noch auf ganz andere Gedanken. Aber er konnte doch nicht der Natalie sagen, dass sie sich gefälligst eine andere Unterhose anziehen soll, wenn nicht einmal ihre Mutter das schaffte.
Unwillkürlich musste Gasperlmaier daran denken, wie sich so ein Bub in der Schule fühlen musste, wenn da vor ihm ein halber Hintern aus der Hose herausragte, aus dem ein Glitzerschnürl herausführte, das dann auch noch in ein paar Glitzersternchen endete, da war es kein Wunder, dass sie sich nicht konzentrieren konnten und einen Fünfer nach dem anderen schrieben. Und für die Lehrer, dachte sich Gasperlmaier, konnte das auch nicht einfach sein, wenn du dich über ein Heft beugst, weil dich eine was fragt, und schon hüpft dir ein Busen mehr oder weniger ungefragt ins Gesicht, wo du dann sogar genau lesen kannst, von welcher Marke der BH ist, so weit hinein siehst du da.
„Ihr glaubt’s ja alle, dass ich nichts anderes zu tun hab, als mit jedem ins Bett zu hüpfen, der mich nur anschaut? Was seid’s denn ihr für Menschen? Denkt’s ihr vielleicht überhaupt nie an was anderes?“
Gasperlmaier fühlte sich auf dem falschen Fuß erwischt. Wie ein Film zogen seine heutigen Verfehlungen an ihm vorbei, die Blicke nach den Beinen, dem Ausschnitt der Frau Doktor, das Hinfallen auf ihren Hintern, die teils wohl auch begehrlichen Blicke auf die magere Ines im Bett des Gaisrucker Marcel, sein Wohlgefallen an dem überaus üppigen Dekolleté der Kellnerin, die ihm in der Schlange im Bierzelt eine Halbe in die Hand gedrückt hatte, und er musste sich sagen, dass die Natalie nicht unrecht hatte.
„Nein, Natalie, hast recht, das ist jetzt falsch herausgekommen“, beeilte er sich sich zu entschuldigen. „Ich hab nur gemeint, dass du vielleicht irgendwelche Informationen hast, die uns helfen könnten, draufzukommen, mit wem der Doktor Naglreiter seine … seine …“ Gasperlmaier wollte nicht der rechte Ausdruck zur Beschreibung dessen einfallen, was der Doktor Naglreiter getrieben haben mochte. Die Natalie verstand ihn auch so.
Sie sank auf die Stufen nieder, legte ihre Arme auf die Knie, den Kopf darauf und begann zu schluchzen. Gasperlmaier überlegte, ob es gescheit war, seinen Arm um ihre Schulter zu legen, aber noch bevor er zu einer endgültigen Entscheidung gelangte, während sein Arm hilflos vor und zurück zuckte, begann die Natalie zu reden.
„Der Stefan liebt mich!“, schluchzte sie in ihre Arme hinein, „und er nimmt mich nach Wien mit, wenn ich achtzehn bin. Und dann können sie mir daheim alle den Buckel hinunterrutschen!“
Da war der Gasperlmaier baff. Einerseits tat ihm das Mädel ja leid. Dass ein Wiener Student mit einem Hintergrund wie der Naglreiter Stefan eine sechzehnjährige Schülerin aus Altaussee „liebte“, wie die Natalie meinte, und dass er sie nach Wien mitnehmen würde, das konnte ja doch nur in der Fantasie einer Pubertierenden passieren. Da
Weitere Kostenlose Bücher