Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
unvollendet zu lassen.
8
So kam es, dass der Kahlß Friedrich und der Gasperlmaier ohne die Frau Doktor am späten Nachmittag in der Stube der Evi saßen, wo sie sich den Speck in feine, schmale Streifen schnitten, weil er so besser schmeckte, und die Speckstreifen samt dem Brot, das ihnen die Evi hingestellt hatte, mit einem Gösser-Bier aus der Flasche hinunterspülten.
Ein wenig schwierig war die Situation für den Gasperlmaier schon, denn der Kahlß Friedrich war von sich aus nicht der Gesprächigste, und die Evi hantierte ständig mit einem finsteren Gesicht bei der Abwasch herum, sodass Gasperlmaier während des Speckessens und Biertrinkens bisher nicht den rechten Augenblick gefunden hatte, um endlich zum Thema Naglreiter zu kommen.
„Wollt’s einen Schnaps?“, fragte die Evi, und der Kahlß Friedrich nickte behäbig, während Gasperlmaier zögerte. Das Angebot der Evi hatte nicht wirklich einladend geklungen. So sprach man hierzulande, wenn man Hockenbleiber, die nicht und nicht heimfinden wollten, aus der Stube hinauskomplimentieren wollte. Gasperlmaier wurde einer Antwort enthoben. Die Evi knallte ihnen die Stamperl vor die Nase und ließ sie volllaufen. Es war jetzt nicht etwa so, dass Gasperlmaier den Obstler der Evi normalerweise verschmäht hätte, aber er saß schon beim zweiten Bier, und er war sich nicht gänzlich sicher, ob er und der Kahlß mit der Evi noch ein präzises, sachlich ergiebiges Gespräch würden führen können, wenn sie jetzt anfingen zu schnapseln. Auf der anderen Seite: Vielleicht konnte der Obstler die Zunge der Evi ein wenig lösen.
„Wennst einen mittrinkst?“, fragte Gasperlmaier, und endlich ließ sich die Evi auf einen Sessel dem Gasperlmaier gegenüber hinsinken. „Ich brauch jetzt sowieso einen. Das war heute alles viel zu viel für mich. Die arme Frau!“ Schon fürchtete Gasperlmaier, jetzt würde die Evi wieder eine tränenreiche Klage anstimmen wie vorhin beim Bootssteg, aber sie sagte nur „Prost!“, hob ihr Stamperl und stürzte den gut eingeschenkten Schnaps in einem Zug hinunter. Gasperlmaier tat es ihr nach, der Friedrich sowieso.
In diesem Moment öffnete sich die Küchentür und herein schaute die Natalie. Ein wirklich sauber herangewachsenes Dirndl war sie, die Natalie. Ein Dirndl allerdings trug sie nicht, sie hatte Jeans an, mit Löchern drinnen und schwarzen Patzen drauf. Die Evi hatte sich schon bitterlich darüber beklagt, dass die Firmpatin der Natalie ihr zum Geburtstag so eine Designerjean geschenkt hatte. „Wenn’s nicht zerrissen sind, kosten’s neunzig Euro, zerrissen kosten’s hundert und mit Teerflecken drauf hundertzwanzig!“, hatte die Evi gejammert, und es war auch noch keine drei Monate her, erinnerte sich Gasperlmaier, dass es im Hause Kitzer einen Riesenstreit gegeben hatte, weil sich die Natalie ein Nabelpiercing eingebildet und ihre Eltern so lang terrorisiert hatte, bis sie nachgegeben hatten. Der Kahlß Friedrich hatte dem Gasperlmaier ausgiebig darüber berichtet. Die Natalie hatte gedroht, sie würde es sich von einem Pfuscher stechen lassen, wenn sie ihr das Piercing nicht erlaubten, und wenn man ihr den Nabel verbieten würde, dann würde sie sich so eins machen lassen wie die Höller Sabrina, ihre Freundin aus Bad Aussee, die ein Loch in der Nasenscheidewand hatte und darin ein schwarzes Gebilde trug, das aussah, als würden ihr zwei eingetrocknete Nasenrammel zu den Nasenlöchern heraushängen.
Obenherum trug die Natalie ein erstens einmal so kurzes Leiberl, dass Gasperlmaier gar nicht umhin konnte, das Piercing in seiner ganzen Pracht bewundern zu müssen. Und zweitens war das Leiberl so eng, dass Gasperlmaier keine Fantasie dazu brauchte, um festzustellen, dass sie, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte, sicherlich wieder um eine BH -Größe gewachsen war. Gasperlmaier verbat sich seine Gedanken: Dir wird es einmal ergehen wie dem Naglreiter, sagte er im Stillen zu sich. Zuerst beobachtest und genießt du nur mit Kennerblick, schließlich erleidest du in deiner Faszination einen völligen Kontrollverlust und greifst irgendwo hin, wo deine Pfoten nichts verloren haben, und am Ende rammt dir dann deine eigene Frau ein Messer in den Bauch, weil es mit dir nicht mehr zum Aushalten ist.
Heute schaute die Natalie aber ausgesprochen angewidert drein, als sie die drei am Küchentisch sitzen sah. Als sie zunächst stumm blieb, fuhr sie die Evi gleich ein wenig schroff an: „Grüßen kannst nicht?“, worauf die
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