Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
Köchin, und was sie auf den Tisch brachte, schmeckte meist so gut, dass Gasperlmaier nach jedem einzelnen Bissen innerlich Gott dafür dankte, dass diese Frau sein Werben erhört hatte. Aber in der Regel gab es zu wenige von diesen Bissen, die göttlichen Gerichte kamen in recht bescheidenen Portionen daher und hoben sich zu Gasperlmaiers Leidwesen ziemlich krass von dem ab, was er bei seiner Mutter als deftige Hausmannskost kennen und schätzen gelernt hatte. Da waren die Schnitzel schon einmal über den Tellerrand gehangen, und es hatte immer noch eine Scheibe Schweinsbraten und noch einen Knödel gegeben, wenn Gasperlmaier seinen Teller leergeputzt hatte.
Als die Christine bemerkte, dass Gasperlmaier seinen Sailbling ohne rechte Begeisterung musterte, ermahnte sie ihn: „Kost doch erst einmal. Und denk daran, dass du ohne meine Kost wahrscheinlich schon so fett wärst wie der Kahlß Friedrich.“
Gasperlmaier begann den Saibling gleich viel attraktiver zu finden, als die Christine sein Kinn zwischen ihre Finger nahm, zu sich herumdrehte und ihm einen zarten, feuchten Kuss auf die Lippen drückte. Gasperlmaier schätzte sich glücklich, dass seine Frau nach mehr als zwanzig Ehejahren immer noch so küsste, wie sie eben küsste, mit Gefühl und Leidenschaft, und nicht einfach nur gedankenlos zuschnappte.
Die Christine schenkte ihm ein Lächeln und ein Leichtbier in ihre Gläser ein, fein säuberlich aufgeteilt zwischen ihnen beiden, und schnitt sich ein Stück von ihrem Saibling ab. Gasperlmaier widmete sich ebenfalls seinem Abendessen und musste sich eingestehen, dass der Fisch und auch die Nudeln darunter hervorragend schmeckten. Er beeilte sich, das der Christine zu versichern. Sie schenkte ihm dafür ein strahlendes Lächeln, das Gasperlmaier sämtliche Ausschnitte und Beine der Altausseer Damenwelt, denen er heute ausgesetzt gewesen war, vergessen ließ.
Eine schöne Frau war sie, die Christine, dachte Gasperlmaier bei sich, und das mit ihren bald fünfundvierzig Jahren. Wenn sie im Sommer am Altausseer See lagen, Gasperlmaier nach dem Schwimmen aus dem Wasser kam und die Christine mit ihrem Buch auf dem Bauch liegen sah, mit ihren wohlgerundeten Hüften, der schlanken Taille und der glatten Haut an den Oberschenkeln, da gratulierte sich Gasperlmaier immer wieder selbst zu seiner Frau, vor allem, wenn er sich ein wenig umsah, was da sonst auf dem Badeplatz an birnen- und apfelförmigen Körpern, an schlaffen Hintern und aus der Form geratenen Brüsten durch die Gegend geschlenkert wurde. Und recht hatte sie, die Christine, ohne sie wäre der Gasperlmaier bei Bier und Schweinsbratl am Ende völlig versumpert. Einen Narren schalt er sich selbst, dass er den Fisch heute so skeptisch gemustert hatte, wo er doch wirklich ganz einmalig schmeckte. „Safran ist da drinnen. Sehr teuer“, informierte ihn die Christine. „Dafür gibt’s eben weniger.“
Gasperlmaier hatte es gar nicht glauben können, dass sich die Christine für ihn interessierte, als sie aus Salzburg nach Altaussee zurückgekommen war. Als wilde Henn’ hatte sie im Dorf gegolten, rote Haare hatte sie damals gehabt und seltsame Kleider und Röcke aus Indien und Afghanistan getragen, mit Spiegeln darauf sogar. Selten waren solche Mädchen damals gewesen, die in der Stadt studiert hatten und dann wieder zurückkamen. Nichts war damals gewesen mit Dirndl und Tracht und Volksmusik und Bierzelt. Die Christine hatte von Jazz geredet, war immer wieder zu Konzerten von Gruppen mit seltsam klingenden Namen nach Bad Aussee oder Ischl gefahren, und Gasperlmaier hatte sie lange im Stillen mit ein wenig Ehrfurcht, aber auch großem Respekt aus sicherer Distanz mehr beobachtet als geliebt. Sie hatte ja auch einen fürchterlichen Ruf gehabt: In der Volksschule hatte sie mit modernen Unterrichtsmethoden die Mütter auf die Palme gebracht, die mit kooperativem offenem Lernen und anderen neumodischen Ansichten, mit denen die junge Lehrerin daherkam und von denen man in Altaussee nie etwas gehört hatte, überhaupt nichts anzufangen wussten, vor allem, wenn ihre Kinder dann mit seltsamen Zeichnungen heimkamen, die die Beziehungen innerhalb der Familien symbolisch darstellen sollten, anstatt dass sie brav Szenen aus der biblischen Geschichte abgemalt hätten, wie das seinerzeit üblich gewesen war. Verdenken hatte Gasperlmaier es ihnen nicht können, war doch in diesen Zeichnungen schon einmal eine Mutter als Spinne oder ein Vater als rosaroter Zuchteber
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