Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
diesen Schlüssel zum letzten Mal gesehen?“ Der Wilhelm zuckte mit den Schultern. „Glauben Sie, darüber führ ich Buch? Es ist ja nicht so, dass jeder immer zusperrt. Und außerdem ist das Wasser da so seicht, da kannst du im Sommer auch vom Wasser her in das Bootshaus waten. Hier in Altaussee muss nicht alles zugesperrt werden, hier wird nicht alles gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist, wir sind ja nicht in Wien oder in Graz, wo euch die Rumänen und die Georgier sogar die Lederhosen unter dem Arsch wegstehlen.“ Die Frau Doktor, so meinte Gasperlmaier zu bemerken, schluckte die ausländerfeindliche Bemerkung des Wilhelm mühsam hinunter, blieb ihm aber einen Kommentar darauf schuldig.
„Herr Niedergrottenthaler, wissen Sie, wann die Familie Naglreiter ihr Boot …“, der Wilhelm begann schon einen Finger zu heben, während sich die Frau Doktor, eine beruhigende Handbewegung gegen den Wilhelm ausführend, sogleich korrigierte „ … ihre Plätte zum letzten Mal benutzt hat? Wissen Sie, wer, ich meine, welche Familienmitglieder?“
Der Wilhelm zuckte mit den Schultern. „Am Samstag in der Früh war ich fischen draußen, da waren natürlich die anderen zwei Plätten noch da, ich meine, wer steht denn schon so früh auf, an einem Wochenende? Aber wie ich zurück bin, so um zehn herum, da sind der Stefan Naglreiter, der Sohn, und seine Schwester gerade dahergekommen. Die Natalie war auch dabei. Ich hab mich schon gewundert, was die bei denen will, die ist ja kaum sechzehn Jahre alt, und mit den zwei Wienern? Aber mir war’s egal. ‚Fahrt’s baden?‘, hab ich sie gefragt, und der Stefan hat mir eine blöde Antwort gegeben, der ist ein arroganter Pinsel. ‚Nein, Schlittschuh laufen!‘, hat er gegrinst, und die zwei Mädels haben blöd gelacht. Ich hab mich dann nicht mehr länger aufgehalten. Ich hab ihnen nur noch gesagt, dass sie aber nur ihr Boot nehmen dürfen, das zweite hab ich für das ganze Wochenende an einen Wiener Schauspieler vermietet, Sie wissen schon, so ein ganz dünner mit einem langen Gesicht und einer tiefen Stimme. Vielleicht hat der ja den Schlüssel von draußen genommen. Wie er heißt, fällt mir jetzt ums Verrecken nicht ein!“
„Das ist ja jetzt schon drei Tage her. Wissen Sie, ob später jemand noch ein Boot benutzt hat?“ Der Wilhelm zuckte mit den Schultern. „Ich wohn ja schließlich nicht da. Wir haben daheim die paar Fische gegrillt, die ich gefangen hab, und später war ich dann auch beim Bierzelt, mit meiner Frau. Und am Sonntag und am Montag auch, wie ihr die Leut’ wieder hineingelassen habt.“
„Danke, Herr Grottenthaler. Wenn Sie uns dann bitte hier weiterarbeiten lassen würden.“ Gasperlmaier zuckte zusammen. Der Wilhelm konnte es nämlich um die Burg nicht leiden, wenn sich jemand an seinem – zugegeben, etwas langen und umständlichen – Namen vergriff und ihn abkürzte. Schon holte er tief Atem, doch noch bevor er zu Wort kam, besserte sich die Frau Doktor aus. „Niedergrottenthaler, selbstverständlich.“ Dem Wilhelm ging die Luft wieder aus. Fast widerstandslos folgte er der Polizistin, die die ganze Zeit hinter ihm gewartet hatte. Nur kurz drehte er sich noch einmal in der Tür um. „Und ihr macht’s mir hier eh nichts kaputt? Und ihr sagt’s mir’s, wenn ihr fertig seid?“ Die Frau Doktor Kohlross nickte eifrig, wohl, wie Gasperlmaier bei sich dachte, um den Wilhelm schnell loszuwerden.
Ein Weißgekleideter stieg aus der Plätte und kam zu ihnen. „Wir haben was gefunden!“ Stolz hielt er zwei kleine flache Plastiksäckchen in die Höhe. Erst jetzt bemerkte Gasperlmaier, dass es eine Frau war. Eine sehr junge und überaus hübsche noch dazu, wie er feststellte. Die Frau Doktor nahm ihr beide Säckchen ab und hielt sie gegen das durch die Türöffnung fallende Licht, um den Inhalt besser sehen zu können. „Straßsteine und ein Knopf?“, fragte sie mehr sich selbst als jemand anderen. „Das sind solche zum Aufkleben. Bekommen Sie fast in jedem Modegeschäft. Die Mädchen kleben Sie auf Taschen oder Handys oder so. Definitiv etwas, was auf ein jüngeres Mädchen deutet.“ „Und der Knopf?“ Im Säckchen befand sich ein schwarzer, runder, nicht allzu großer Knopf mit gewölbter, glänzender Oberfläche. Gasperlmaier war sofort klar, um was für einen Knopf es sich handelte. „Ein Kuhhornknopf. Findet sich bei jeder Lederhose an der Seitennaht, außen, bei den Oberschenkeln.“ Endlich, dachte Gasperlmaier, hatte er auch
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